Samstag, 20. November 2010

Aktuelle Berichte


In den letzten Wochen standen in den Online Ausgaben einiger Zeitungen Berichte über Alexithymie. Anlass war wohl eine Tagung in Berlin im November zum Thema.

Die Artikel waren sachlich und entsprachen im wesentlichen auch meinem Wissensstand. Es wurden keine extremen Beispiele als Aufhänger verwendet. Es wurde ausdrücklich darauf hin gewiesen, dass es sich nicht um eine Krankheit handelt.

Gut war auch, dass mindestens in einem der Artikel stand, dass Alexithyme eben nicht grundsätzlich keine Gefühle haben. Sondern dass sie ihre Gefühle oft als Krankheit missdeuten. Z.B. Bauchkribbeln bei Aufregung als Zeichen für eine Magenerkrankung.

Solche Berichte und der angenehme Kommentar hier neulich machen Mut, dass es Sinn macht hier weiter zu machen.

Sonntag, 2. Mai 2010

Beispiel


Neulich machte ein Arbeitskollege den Vorschlag, mit der Abteilung an einem Ritteressen teilzunehmen. Schon die Vorstellung ist mir unangenehm. Ich habe keine Lust auf solche Veranstaltungen. Mit Kollegen einmal im Jahr essen zu gehen ist in Ordnung. Aber Pseudoritter spielen, Lätzchen umbinden, oder noch schlimmer Lätzchen umbinden lassen, an den Pranger stellen etc. ist für mich peinlich und albern. Ich habe gar kein Problem damit, wenn andere solche Veranstaltungen gut finden. Es wäre noch in akzeptabel, wenn ich so teilnehmen könnte, wie ich möchte. D.h., dass ich mir kein Lätzchen umbinde. Dass ich mir die eingestreuten „Ritterspielchen“ anschaue, aber nicht mitmache usw.
Aber so funktioniert das leider nicht. Die Fans und Veranstalter dulden keine „Außenseiter“. Sie haben ein „feines Gespür“ dafür, wer nicht begeistert mitmacht. Derjenige muss dann so lange bedrängt werden, bis er auch mitmacht. Natürlich soll genau er auf Knien um die Hand der Jungfrau anhalten. Genau er muss an den Pranger. Sonst ist er eine Spaßbremse. Typisch sind Beschreibungen im Internet, nach denen die Minnesänger so lange gesungen haben, bis auch der letzte Sangesunwillige mitgesungen hat.
Genau so ist es. Dann und nur dann haben die Fans ihren Spaß, wenn auch der Letzte mitmacht. Es geht gar nicht darum, dass sie selbst für sich Spaß haben. Sie haben ihren Spaß nur, wenn der letzte gezwungen ist, ihren angeblichen Spaß mit zu machen.
Und so ist es immer. Am Lagerfeuer muss derjenige, der ruhig dabei sitzt, so lange zum Singen aufgefordert werden, bis er singt, oder die Stimmung verdorben ist, weil er sich ernsthaft wehrt. Natürlich meinen es die Fans nur gut und witzig. Es ist ja auch so lustig, wenn man dauernd intoniert „Wir singen dem N. ein Lied“, um ihn damit aufzufordern, ein Lied anzustimmen. Nein, der N. darf nicht einfach dabei sitzen und den Fans beim Singen zuhören.
Auch hier schaukeln sich im Laufe der Zeit Erfahrungen immer weiter auf, bis sie zu einer Abneigung führen, die schwer zu durchbrechen ist.

Was sind Gefühle?


Meine Versuche hinter das Geheimnis der Gefühle zu kommen, sind bisher gescheitert. Ob Wikipedia, Geo Lexikon, direkte Nachfragen bei fühlenden Mitmenschen oder andere Quellen. Scheinbar ist niemand in der Lage Gefühle so zu beschreiben, dass ich verstehe, was gemeint ist.

Gefühle, Emotionen, Affekte, Gemütserregung, Stimmung usw. Alles wird mit anderen, aber genau so unklaren Begriffen definiert. Und der letzte Begriff zeigt wieder auf den Ersten.
Vielleicht ist das für Andere so einfach wie die Muttersprache. Für mich ist das so unverständlich wie das n-dimensionale Universum. Oder ich bin der Einzige der merkt, dass eigentlich niemand weiß, wovon er spricht. Interessant, das Gefühl als psychologischer Begriff auch in Wikipedia nicht definiert ist.

Was genau bedeutet z.B. das für Alexithymie laut Definition charakteristische Merkmal
„Schwierigkeiten, Gefühle zu erkennen und diese von körperlichen Empfindungen zu unterscheiden, die durch emotionale Erregung hervorgerufen werden“

Wenn ich mich ärgere, also Ärger spüre bzw. fühle, bin ich emotional erregt. Oder nicht? Angenommen ich bekomme dadurch Kopfschmerzen. Sind die Kopfschmerzen dann Gefühl oder körperliche Empfindung durch emotionale Erregung? Oder dürfte ich gar keine Kopfschmerzen bekommen?

Ich verstehe, dass lt. Theorie Alexithyme die Ursache für die Kopfschmerzen nicht beim Ärger finden, sondern annehmen, dass ein Wetterumschwung, eine Krankheit, usw. Ursache für die Kopfschmerzen sind. Das wäre aber: Schwierigkeiten, Gefühle zu erkennen und diese von körperlichen Empfindungen zu unterscheiden. Der Nachsatz „die durch emotionale Erregung hervorgerufen werden“ ist ein Problem.

An dieser Stelle kann ich es drehen und wenden, es passt nicht zusammen. Was ist ein Gefühl, z.B. beim Ärgern? Etwas ganz anderes als eine körperliche Empfindung, wie z.B. Kopfschmerzen? Äußern sich Gefühle nicht durch körperliche Empfindungen? Wie fühle ich dann ein Gefühl? Worin unterscheiden sich Gefühl und emotionale Erregung? Ist ärgern ein Gefühl oder eine emotionale Erregung?

Noch schwerer wird es, wenn unterschiedliche Personen ihre Gefühle unterschiedlich beschreiben. Wie fühlt man Liebe? Mal ist es angeblich ein Wärmegefühl im Herz, dann Schmetterlinge im Bauch usw. Oder ist Liebe doch ein Ausdruck für Verantwortung, Zuverlässigkeit etc.?

Mich führt das zu der Frage, ob es Gefühle als objektive Empfindungen überhaupt gibt, oder ob sie nicht in der subjektiven Einbildung der jeweiligen Menschen entstehen und bei jedem Menschen unterschiedlich sind. Sind Alexithyme evtl. negativ ausgedrückt einfach fantasieloser oder positiv ausgedrückt, realistischer?

Outen oder nicht outen?


Natürlich kann nur jeder Betroffene bzw. jede Betroffene für sich die Frage beantworten, ob die Alexithymie Verwandten, Bekannten usw. mitgeteilt werden soll.

Ich habe mit niemandem darüber gesprochen und habe das auch nicht vor. Es wäre für mich unerträglich, ständig das Gefühl zu haben, dass meine Handlungen mit Alexithymie erklärt werden. Oder dass sich andere evtl. sogar um mich Sorgen machen.
Bei jedem Gespräch wäre es leicht möglich, meinen Standpunkt mit dem Hinweis auf meine Alexithymie lächerlich zu machen. Besonders bequem für Partner bei Streitigkeiten. Dass diese Möglichkeit eingesetzt wird, erfährt man schnell sogar in angeblichen Selbsthilfegruppen für Alexithyme im Web.

Auf der anderen Seite erwarte ich keine Vorteile, wenn andere von meiner Alexithymie wüssten. Ich habe nur begrenzte Möglichkeiten nicht Alexithymen meine Innenwelt zu vermitteln. Nicht Alexithyme sind aber offensichtlich auch nicht in der Lage mir zu beschreiben, was Gefühle für sie sind.

Es gibt deshalb keinen Grund für mich, die gewohnten Wege zu verlassen und Risiken einzugehen, die ich nicht kalkulieren kann. Die ich vor allen Dingen nicht rückgängig bzw. ungeschehen machen kann.

Ich will niemanden davon abhalten, sich zu outen. Allerdings sollte auch niemand ohne sorgfältige Überlegung auf entsprechende Ratschläge hören.

Sonntag, 1. November 2009

Tabus


Für ein zentrales Merkmal gefällt mir der Begriff Tabu. Tabu nicht in dem heutigen Gebrauch als lockeres, gesellschaftliches Tabu, das nur darauf wartet gebrochen zu werden. Tabu im ursprünglichen Sinn, als es intuitiv klar war, dass ein Tabu auf keinen Fall gebrochen werden darf, weil sonst die Welt in Unordnung gerät. Das Tabu stellt für mich aber keine Einschränkung, Bedrohung etc. dar, sondern ist ein Teil von mir.

Eine Interpretation solcher Tabus ist, dass Alexithyme z.B. nicht über die eigenen Gefühle sprechen, weil sie glauben, dass z.B. nur die eigene Mutter das Recht hätte, über diese Gefühle zu sprechen. Diese Deutung ist aus meiner Sicht falsch bzw. trifft bei mir nach meiner Einschätzung nicht zu.

Ich weiß nicht, warum diese Tabus existieren. Für einzelne Tabus könnte ich eine mögliche Entwicklungsgeschichte schreiben, wie sie sich aus kleinen Anfängen entwickelt haben. Aber es wäre keine wirkliche Erklärung, warum ein solches Tabu sich bei mir entwickelt hat und bei anderen Menschen nicht.

Ich weiß, dass ich das Tabu brechen könnte, wenn ich wirklich wollte. Es geht aber trotzdem höchstens unter großen inneren Widerständen. Der Tabubruch an sich ist nicht das Problem, sondern die möglichen Reaktionen der Anderen. Eine bestimmte Verhaltensweise ist eingebrannt, man kennt mich so. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn ich mich anders verhalten würde. Ich würde mich unwiderruflich verändern.

Ein solches Tabu ist, nicht über den eigenen aktuellen Gefühlszustand zu sprechen. Natürlich kann ich darüber sprechen, ob es mir gut oder schlecht geht etc. Aber das sind oberflächliche Begriffe. Trotzdem ist die Antwort häufiger „normal“, als „gut“ oder „schlecht“. Die wirklichen Gefühle und vor allem die Gründe für diese Gefühle sind tabu.

Wären meine Gefühle für andere vielleicht lächerlich? Würden sie zu ernst genommen? Würde ich wirklich sagen, was ich sagen will? Würde ich jemanden beleidigen? Würde ich falsch verstanden werden? Wäre das jahrelange Tabu unsinnig gewesen? Würde ich Aufmerksamkeit erregen?

In entsprechenden Gesprächssituationen gehen solche Fragen rasend schnell immer wieder durch den Kopf. Bevor die Fragen entschieden sind, ist die Situation meistens vorbei, weil ein Gesprächspartner das Wort ergreift.

Wenn unbedingt eine Antwort erwartet wird, sind Psychologen und psychologisch angehauchte Gesprächspartner hilfreich. Durch Suggestivfragen zeigen sie quasi den Weg, wie man am Geschicktesten antwortet. Man muss nur aufpassen, dass das Bild nicht zu falsch wird. In der Regel kommt ein gerade noch akzeptabler Kompromiss heraus. Aber so richtig verstanden fühlt man sich nicht.

Schwierig wird es, wenn die Gesprächspartner geduldig auf eine Antwort warten. Der Druck etwas preis zu geben wird unter Umständen extrem hoch. Aber es gibt keine Orientierung, wie eine akzeptable Antwort aussehen könnte. Die ehrliche Antwort verletzt vielleicht den Gesprächspartner, die nicht verletzende Antwort ist vielleicht zu weit von der Wahrheit entfernt.

Ein Tabu in Aktion ist ein seltsames Gefühl. Auf der einen Seite spürt man, dass ein ganz kleiner Schritt, ein einfaches Tun, das Tabu überwindet und die ganze Situation entspannt oder erleichtert. Auf der anderen Seite steht man vor einem fast unüberwindlichen Berg. Dabei spürt man ganz deutlich, dass Problem und Lösung in einem selbst liegen. Man versucht evtl. Anderen die Schuld zu geben, weiß aber, dass der Knoten in einem selbst platzen muss.

So baut sich mit der Zeit aufgrund von Erfahrungen bzw. Erlebnissen ein Tabu auf, das kaum noch zu brechen ist.

Ich vermute, man sieht schon an diesem Text die Schwierigkeit sich so auszudrücken, dass man richtig verstanden wird.

Sonntag, 6. September 2009

Anlaufstellen für Hilfesuchende


Kostenlose Beratung und Hilfe bei konkreten persönlichen Krisen und familiären Problemen bieten z.B. die Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden, z.B. der Caritas, die an vielen Orten zu finden sind.
Bei Bedarf werden auch längerfristige Betreuungen durchgeführt, indem z.B. einmal pro Monat ein Gesprächstermin durchgeführt wird. Psychologen moderieren Einzelgespräche und Gespräche mit der Familie, bei denen Probleme angesprochen und Lösungen gesucht werden können.

Ansprechpartner bei Unterstützungsbedarf konkret zum Thema Alexithymie sind Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiater.
Die Unterschiede zwischen Psychiatern, Psychologen, Psychotherapeuten usw. werden auf der Seite http://www.bdp-verband.org/psychologie/psytherapie.shtml gut erklärt.

Die Seite http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de/ enthält umfangreiche grundsätzliche Erklärungen zu Gehirn und Nervensystem, stellt Therapieformen vor usw.

Viele Informationen gibt auch die Bundes Psychotherapeuten Kammer auf ihrer Webseite in der Rubrik Patienten http://www.bptk.de. Dort steht z.B. was Krankenkassen zahlen, wie entsprechende Anträge bei der Krankenkasse gestellt werden, wie geeignete Psychotherapeuten gefunden werden können usw.

Es bieten auch einige Heilpraktiker entsprechende Dienstleistungen an. Für Heilpraktiker gibt es keine staatlich geregelte Ausbildung, nur die Zulassung ist staatlich geregelt. Der Hilfesuchende sollte sich über die absolvierte Ausbildung des Heilpraktikers informieren und sie kritisch hinterfragen. Das Therapieangebot der Heilpraktiker richtet sich in aller Regel an Selbstzahler und Privatversicherte mit entsprechender Leistungsvereinbarung in ihrem Versicherungsvertrag, da Heilpraktiker keine Kassenzulassung erhalten.

Mich persönlich überzeugt die wissenschaftlich begründete Schulmedizin allerdings mehr, als andere Heilverfahren. Von sogenannter Alternativmedizin mit ihren angeblich natürlichen, biologischen oder ganzheitlichen Methoden halte ich gar nichts.

Dienstag, 11. August 2009

Informationsquellen


Einen erfreulich unaufgeregten Artikel über Alexithymie hat der Tagesanzeiger Zürich auf seinen Webseiten:
http://www.tagesanzeiger.ch/mobile/wissen/medizin-und-psychologie/Wenn-Menschen-mit-Gefuehlen-nichts-anfangen-koennen/s/14521953/index.html

Umfangreicher, aber schon etwas diskussionswürdiger, schreibt die Zeit auf:
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/02/Gefuehllose

Viele Informationen bietet ein Artikel der FU-Berlin:
http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/2008_01/08_01_lebort/index.html

Diese Artikel bieten eine gute Einführung in das Thema. Die Aussagen dürfen natürlich nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Auch hier finden sich Pauschalisierungen, wie „Die Betroffenen können keine Freude, Liebe, Wut, Enttäuschung oder Angst wahrnehmen.“ Einige Erklärungen, Folgerungen etc. sind nicht so gesichert, wie es in den Artikeln scheint. Aber immerhin sind oder waren sie in Medizin und Wissenschaft in Diskussion.

Die Artikel heben sich auf jeden Fall deutlich von der Masse ab.

Die Dissertation „Psychophysiologische Reaktionsmuster bei Alexithymie –
Studie zur Bedeutung der Entkopplungshypothese bei Patienten mit
anhaltender somatoformer Schmerzstörung“ von Karen Anne Kramer enthält eine gute Zusammenfassung der medizinischen bzw. wissenschaftlichen Entwicklung und der aktuellen Diskussion zur Alexithymie:
http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/med_fak/2006/kramer_karen/kramer.htm


Das Gleiche gilt für die Dissertation „Neurophysiologische Korrelate der Alexithymie
eine experimentelle Studie unter Nutzung der transkraniellen Magnetstimulation“
von Bertram Möller:
http://ub-ed.ub.uni-greifswald.de/opus/volltexte/2006/143/
Dort finden sich in den wertenden Schlusskapiteln auch kritische Hinweise zum aktuellen Forschungsstand.

Beide Dissertationen richten sich natürlich nicht an medizinische Laien, sind aber in den genannten Auszügen gut lesbar und verständlich.

Einige interessante Hinweise geben auch "Alexithymie und Anhedonie bei psychosomatischen Patienten - eine klinische Untersuchung" von Andreas Krüger und "Vom Affekt zum Mitgefühl: Entwicklungspsychologische und neurowissenschaftliche Aspekte der emotionalen Regulation am Beispiel der Alexithymie." von Matthias Franz.

Die genannten Schriften sind oder waren im Internet frei erhältlich.

Die aus meiner Sicht beste Informationsquelle ist das englischsprachige Buch "Emotionally Dumb: An Introduction to Alexithymia" von Jason Thompson. Ich habe das Buch für wenige Euro im Internet bestellt. Am nächsten morgen hatte ich das Buch vom Autor direkt als PDF-Datei im Mailbriefkasten. Das Inhaltsverzeichnis und einzelne Kapitel können im Internet mit einer Suchmaschine gefunden und gelesen werden.