Samstag, 3. Dezember 2011

Warum zieht sich ein alexithymer Partner zurück


In Foren wird oft von nicht alexithymen Partnerinnen geklagt, dass ihre alexithymen Partner sich immer weiter zurück ziehen würden. Das können z.B. immer seltenere Telefongespräche bei getrennt wohnenden Paaren sein, oder immer seltenere Körperkontakte bei zusammen lebenden Paaren.

Ich versuche mal eine mögliche Erklärung aus meiner Sicht, also der Sicht eines alexithymen Mannes.

Auf zumindest einige gefühlsbetonte Frauen wirken alexithyme Männer anziehend. Vielleicht, weil Alexithyme ruhig, ausgeglichen und zurückhaltend wirken. Auf der anderen Seite können gefühlsbetonte Frauen auf alexithyme Männer attraktiv, warmherzig und liebevoll wirken. Im Unterbewusstsein hoffen wahrscheinlich beide Seiten sich gegenseitig zu ergänzen und so voneinander profitieren zu können.

Die Partnerin glaubt vielleicht sogar, dass seine Ruhe auf sie abfärbt und sie sich bei ihm geborgen fühlen kann. Er hofft vielleicht, dass ihre Emotionalität ihm Antrieb gibt. Auf Dauer wird seine Zurückhaltung von ihr zunehmend als Distanz wahrgenommen. Ihre Emotionalität nervt ihn, wenn sie zur ungelegenen Zeit kommt. In guten Zeiten können beide damit umgehen. Man ist eben etwas verschieden, aber dafür hat der jeweilige Partner ja auch seine guten Seiten.

Allerdings ist jeder Mensch manchmal überfordert oder gestresst und fühlt sich unwohl. Ein alexithymer Mann spricht mit seiner Partnerin darüber aber nicht. Sogar wenn er seine Empfindungen bewusst wahrnimmt und richtig deutet, redet er nicht mit ihr darüber. Alleine schon um sie nicht zu beunruhigen. In ihrer Emotionalität macht sie sich sonst Sorgen. Diese Sorgen würden ihn dann wieder zusätzlich belasten, weil sie ihn mit ihren sorgenvollen Gefühlen nerven, ja quasi erdrücken würde. Er versucht deshalb sein Befinden zu verbergen. Das wirkt auf seine Partnerin so, als wäre er noch weniger an ihr und ihren Gefühlen interessiert als sonst.

Wenn sie ihm daraufhin seine Distanziertheit oder sogar Gefühllosigkeit vorwirft, sind diese Vorwürfe für ihn völlig unverständlich. Er will sie ja gerade nicht belasten. Deshalb wird er die Vorwürfe als abwegig abtun. Seine Partnerin fühlt sich noch mehr zurückgewiesen und wird erst recht zu emotionalem Verhalten provoziert. Auf ihn wirkt sie immer theatralischer und nervtötender.

Während sie immer verzweifelter wird, verstärkt er seine Selbstbeherrschung. In seiner Wahrnehmung sieht er ja bei seiner Partnerin, dass Gefühle nur Schaden anrichten. Gleichzeitig versucht er gegenüber seiner Partnerin das jeweilige Verhalten abzustellen, dass sie ihm vorwirft. Er stellt aber nur ganz genau das Verhalten ab, dass sie ihm konkret vorwirft. Z.B. ruft er öfter an, wenn sie ihm vorwirft, zu selten anzurufen. Im Telefongespräch bleibt aber insgesamt weiterhin distanziert bzw. wirkt so, weil er keine Themen für das Gespräch findet, die sie interessieren.

Zug um Zug reagiert sie immer empfindlicher, während er sich genau deshalb immer weiter zurück zieht.

Dabei würde er gerade jetzt in seiner Schwächephase eine Partnerin brauchen, die ihn so liebt und akzeptiert, wie er wirklich ist. Die sich nicht von scheinbarer Ruhe und Stärke beeindrucken lässt. Die ihn quasi durchschaut und ihm Sicherheit und Unterstützung gibt, auch wenn er seine Gefühle nicht preisgibt.

Freitag, 2. Dezember 2011

Überblick über Alexithymie


In den einzelnen Beiträgen habe ich bisher versucht einen mehr oder weniger tiefen Blick auf einzelne Aspekte der Alexithymie zu geben. Ich kann mir vorstellen, dass dabei die Übersicht etwas gelitten hat. Deshalb versuche ich jetzt mal eine Übersicht, in der ich mich auf den meines Wissens unumstrittenen Wissensstand beschränke. Ich setze dabei die Begriffe Gefühl und Emotion gleich. Basis ist ein Beitrag des Teilnehmers Protsi im Forum auf alexithymie.org den ich vor Kurzem gefunden habe.

Der Begriff:

Alexithymie ist der Name für bestimmte Perönlichkeitsmerkmale von Menschen. Alexithymie ist keine Krankheit und für sich alleine kein Problem. Übersetzen kann man Alexithymie mit "Nicht-lesen-können der Stimmung". Alle Menschen neigen dazu, manche eigenen Gefühle zu unterdrücken oder Gefühle bei sich selbst oder bei anderen falsch einzuschätzen. Die Grenzen, wie stark diese Neigung ausgeprägt ist, sind dabei sind fließend. Von Alexithymie wird erst dann gesprochen, wenn das Unterdrücken oder die Fehleinschätzung von Gefühlen ein bestimmtes Ausmaß überschreitet. Ansonsten wären alle Menschen von Zeit zu Zeit alexithym. Ob ein Mensch alexithym ist, kann z .B. mit der Toronto Alexithymie Skala (TAS) ermittelt werden.

Der Inhalt:

Eine alexithyme Bearbeitung des eigenen Innenlebens bedeutet nicht, dass man gar keine Gefühle hat. Es kann dem Betroffenen oder seinen Angehörigen jedoch so vorkommen.

Menschen ohne irgendeine Emotion haben eine schwere neurophysiologische Störung, eine komplette Athymie. Sie sind völlig unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen. Jede menschliche Entscheidung braucht mindestens ein Stückchen Emotion als Grundlage. Egal wie logisch überdacht die Entscheidung ist. Athymie kommt selten vor und ist in der Regel mit einem Hirnschaden verbunden. Die Unfallopfer erstarren in einer endlosen logischen Schleife. Sie analysieren immer wieder ihr weiteres Vorgehen, ringen sich aber nie dazu durch etwas zu tun. Der Hungrige sitzt vor seinem Essen und stirbt nach ein Paar Tagen vor Durst und Hunger.

Menschen die eigene Emotionen überhaupt nicht wahrnehmen, haben die schwerste Form der Psychopathie. Die Emotionen sind im Psychopathen zwar da, sie werden aber nicht als solche erkannt. Die meisten Psychopathen sind nicht so schwer betroffen. Sie können vieles wahrnehmen, schalten aber die unangenehmen, bestrafenden Emotionen eher aus und können sich nicht in andere Menschen versetzen. Sie machen, wozu sie Lust haben, agieren instinktiv, ohne emotionelle Rücksicht, ohne Empathie.

Alexithymie ist etwas zwischen Athymie und Psychopathie. Alexithyme Menschen haben Emotionen. Manche Alexithyme nehmen Gefühle sogar sehr gut wahr, sowohl bei sich selber, als auch bei anderen. Das Wahrnehmungsspektrum ist jedoch enger und die Grenzen zwischen unterschiedlichen Emotionen sind viel verschwommener als bei den meisten Menschen.

Wo die meisten Menschen einen Regenbogen an Gefühlen wahrnehmen, nehmen Alexithyme einen flackernden, grauen Streifen wahr. Statt Zorn, Eifersucht, Angst usw., nehmen sie etwas war, von dem sie nicht wissen, ob es unangenehm, irritierend oder lustvoll ist. Es ist ihnen unklar. Vielleicht ist da etwas, vielleicht ist da aber auch nichts.

Der bewusste Zugang zu ihrer eigenen Befindlichkeit ist bei Menschen mit Alexithymie herabgesetzt. Sie spüren oft, dass etwas in ihnen vor sich geht, können es aber nicht präzise beschreiben. Sie merken oft körperliche Veränderungen, z.B. Herzrasen, Schwitzen, schnellerer Atem, wissen aber oft nicht, warum diese Veränderungen vor sich gehen. Herzrasen, Schwitzen und einen schnelleren Atem hat man beim Sport, bei Angst, bei Wut. Manchmal auch bei Verliebtheit, Lust oder Hunger.

Alle Menschen haben manchmal körperliche Symptome, die sie nicht zuordnen können. Bei Alexithymen ist das einfach ausgeprägter. Wenn sie sich selbst auf emotioneller Ebene aber nicht so gut kennen, fällt es ihnen umso schwerer, sich auf der emotioneller Ebene der Mitmenschen zu Recht zu finden. Deshalb ist ihre Empathie herabgesetzt.

Die Auswirkungen:

Meistens erkennen Alexithyme einige einfache und starke Emotionen. Die meisten Gefühle und vor allem die feineren Gefühle gehen quasi verloren. Wel Alexithyme bei sich nur die Emotionen erkennen, die für sie spezifisch sind, verlieren Gefühle in ihrem Leben an bewusster Bedeutung. Alexithymie können durchaus wissen, dass sie oder andere bestimmte Gefühle haben. Für sie sind diese Gefühle aber nicht besonders wichtig. Unbekannte Gefühle sind für Alexithyme oft sogar störend. Besonders über Gefühle zu reden, fällt Alexithymen schwer. Gefühle sind in ihren Augen unwichtig. Deshalb lohnt es nicht über Gefühle zu reden oder bei den anderen nach Gefühlen zu suchen.

Mit dem begrenzten inneren Verständnis für Gefühle sinkt auch die Empathie für andere. Aus Sicht eines Alexithymen sind sehr viele alltägliche Verhaltensmuster sinnlos. Weil sie z.B. bei Kontakten keine positiven, emotionalen Bindungen spüren, besteht für sie auch kein Anreiz Kontakte zu pflegen. Kontakte bringen für sie keine Belohnung.

Die Ursachen:

Die Veranlagung zur Alexithymie kann angeboren sein. Alexithymie kann aber auch erlernt werden. Entweder lernt ein Mensch erst gar nicht die eigenen Emotionen wahrzunehmen, oder er verlernt diese Wahrnehmung aufgrund von unangenehmen Erlebnissen. In beiden Fällen scheint die frühe Kindheit sehr wichtig zu sein. Wenn ein Kind die gezeigten Gefühle der Eltern, z.B. Lächeln der Mutter beim Stillen, nicht mit dem eigenen Befinden spiegeln kann, z.B. Wohlbefinden und Sättigung, kann das Kind alexithym werden. Wenn ein Kind aus seiner Sicht ständig unangenehmen emotionellen Reizen ausgesetzt wird, kann es aus Selbstschutz alexithym werden. In beiden Fällen wird Alexithymie zu einem wichtigen Merkmal der eigenen Persönlichkeit.

Mögliche Folgen:

Einige mögliche Merkmale der Alexithymie entsprechen Merkmalen, die auch bei Autismus auftreten. Dazu gehören das wörtliche Verstehen des Gesagten, feste Verhaltensweisen, das Kopieren von Aussagen oder Tätigkeiten anderer Menschen und der Fokus auf die eigene, innere Welt.

Emotionen, die nicht wahrgenommen werden, äußern sich oft trotzdem auf der körperlichen Ebene. Das kann zu psychosomatischen Beschwerden führen, z.B. Herzrasen, Verdauungsbeschwerden, Schlaflosigkeit usw. Obwohl Alexithyme ihre Gefühle schlecht erkennen, können sie psychische Störungen entwickeln, wie Depressionen. Wenn man etwas nicht sehen kann sind die Auswirkungen fast genau so, wie die Auswirkungen wenn man etwas nicht sehen will.

Alexithyme sind of besonders realistisch. Selbst wenn sie sich mit ihrer inneren Welt beschäftigen, ist ihre innere Welt sehr nahe an der Realität. Ohne viel Bezug zu Gefühlen, wird auch nicht viel fantasiert. Das Leben besteht aus schlafen, essen, waschen, arbeiten. Alexithyme träumen oft gar nicht, oder ihre Träume sind sehr realitätsnah. Sie träumen z.B. dass sie in ein Geschäft gehen, Schuhe kaufen und danach Burger essen gehen.

Der Sextrieb ist manchmal gering ausgeprägt, weil Sex mit Fantasien verbunden ist. Mit Suchtverhalten, z.B. Alkoholmissbrauch, werden manchmal gefühlsähnliche Reize durch künstliche Einwirkung gesucht.

Häufigkeit:

Alexithymie betrifft in unterschiedlich starker Ausprägung ca. 10% aller Menschen. Zeitweise können sogar alle Menschen auf diese Weise ihre Emotionen bearbeiten. Bei diesen 10% ist es jedoch deutlicher.

Therapie:

Es ist eine philosophische und psychotherapeutische Grundsatzfrage, ob man etwas therapieren kann, darf und soll, das die Betroffenen nicht stört und die Umgebung nicht wirklich gefährdet.
Je nach Ursache der Alexithymie gibt es Ansätze den Betroffenen mehr Zugang zu Gefühlen zu vermitteln. Das kann z.B. geschehen, indem bestimmte Ereignisse und die körperlichen Reaktionen darauf bewusst herbei geführt und beobachtet werden.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Gefühle für Anfänger


Auf der Webseite von Kali Munro, einem Psychotherapeuten aus Toronto, habe ich endlich mal eine für mich verständliche Einführung in die Welt der Gefühle und die Bedeutung zugehöriger Begriffe gefunden.

Zunächst unterscheidet er zwischen primären und sekundären Emotionen. Primäre Emotionen sind Betroffenheit (Traurigkeit), Wut (Ärger), Furcht (Angst), Freude und sexuelle Gefühle. Andere Emotionen sind Kombinationen dieser primären Emotionen. Schuld ist z.B. eine Kombination aus Furcht und Ärger. Dabei können die einzelnen primären Emotionen unterschiedlich gewichtet sein. Man kann sich hauptsächlich ängstlich und etwas wütend fühlen, aber auch hauptsächlich wütend und nur leicht ängstlich. Scham ist eine Kombination aus Betroffenheit und Furcht. Eifersucht ist eine Kombination aus Betroffenheit und Ärger.

Jede primäre Emotion erzeugt körperliche Empfindungen. Man fühlt seine Gefühle mit dem Körper. Die körperlichen Empfindungen zu verstehen, hilft also zu verstehen, wie man sich fühlt.

Emotion Körperstelle Mögliche Empfindungen
Betroffenheit Kehle, Brust, Bauch Kloß, einengender Druck, Schmerzen, Leere
Wut Nacken, Kopf, Schultern, Arme, Hände Anspannung (? Ropes of tension), Kloß, Herzklopfen an den Schläfen spüren, verkrampfte Kiefer, drawn in tight, blocky, held back, curled
Furcht Bauchgegend, Kopf, Gesicht, Brust, Kehle Schmetterlinge, Fluttering, Clutching, heavy ball dizziness (dizziness = Schwindel), Kurzatmigkeit, Anspannung um Augen und Mund, trockener Mund
Freude Brustbereich, Augen, Körpervorderseite Spacious (weitläufig ?), expensive (aufwendig), begeistert, clarity (Reinheit?), bubbling (siedend?), inneres Kichern (innere Albernheit)
Sexuelle Gefühle Geschlechtsteile, unterer Bauch, Körpervorderseite Streaming, Sattheit, good achy (achy = schmerzhaft), Wärme


Schon die reine Anzahl an unterschiedlichen Umschreibungen erstaunt mich. Einige Ausdrücke konnte ich nicht sinnvoll übersetzen. Einiges liegt wahrscheinlich an speziellen Redewendungen, die ich nicht kenne. Vielleicht ist das aber auch ein Hinweis auf mein reduziertes Gefühlsleben.

Mittwoch, 16. November 2011

Bilder


In Deutschland werden zur Visualisierung der Alexithymie häufig Menschen aus Eis oder in Eis gepackte Menschen dargestellt. Von außen betrachtet, mögen Betroffene vielleicht so wirken. Aus meiner Sicht sind solche Darstellungen unpassend. Diese Bilder unterstellen, dass Betroffene völlige gefühllos sind.

Treffend sind Bilder aus dem englischsprachigen Raum, in denen Betroffene mit zugeklebtem Mund oder mit einem Reißverschluss vor dem Mund dargestellt werden. So wird deutlich, dass betroffene nicht gefühllose Roboter sind, sondern dass irgend etwas sie daran hindert, über Gefühle zu sprechen.

Ich selbst würde mich in einer Ritterrüstung darstellen. Bei Gefahr wird das Visier herunter geklappt.
In einem komplexeren Bild als mittelalterliche Stadt. Die Stadt ist von einer Stadtmauer geschützt. So lange keine Gefahr besteht, sind die Stadttore geöffnet und der Austausch mit der Umwelt kann über die Tore kontrolliert vorgenommen werden. Bei Gefahr werden die Tore sofort verschlossen.
Mit diesen Bildern wird deutlich, dass mein Verhalten zumindest zum Teil eine Reaktion auf meine Erfahrungen mit anderen Menschen ist.

Liebe


Liebe ist für mich die Sorge, dass der Familie etwas passiert und für die Familie da zu sein. Also die tägliche Kleinarbeit und Zuverlässigkeit. Nicht das große Gerede und Getue.

Irgendwann wollte meine Frau einen regelmäßigen Abschiedskuss, wenn ich zur Arbeit gehe. Für mich gehört so etwas zu den überflüssigen, blöden Routinen. Weil es ihr wichtig war, hielt ich die Wange hin, sie gab ihren Kuss und beide konnten damit leben - glaube ich. Irgendwann war ich sauer auf sie und seitdem halte ich meine Wange nicht mehr hin und der Abschiedskuss entfällt. Mir ist unverständlich, warum solche Rituale als Zeichen der Liebe wichtig sein sollten.

Vaterstolz, der wohl auch eine Form von Liebe ist, oder Ähnliches bei der Geburt meiner Kinder habe ich nicht empfunden. Ich wollte bei den Geburten nicht dabei sein, war aber auf Wunsch meiner Frau kurzfristig bei der ersten Geburt doch dabei. Per Bahn direkt von der Arbeit in den Kreissaal. Tolle Gefühle dabei hatte ich nicht. Genau hingeschaut habe ich während der Geburt nicht, weil ich mir den Anblick nicht gerade als angenehm vorgestellt habe. Dafür bin ich aber auch nicht umgekippt, wie der tolle Mustervater nebenan.

Ich finde das Getue vieler Eltern vor und nach der Geburt extrem übertrieben. In einem Gespräch wurde ich als Rabenvater bezeichnet, weil ich das so offen ausgesprochen hatte und obwohl der Gesprächspartner mein Verhalten als Vater gar nicht kannte. Für ihn war anscheinend das Reden wichtiger als das Handeln, bei mir ist es genau anders herum. Zumal ich den Eindruck habe, dass viele Eltern spätestens einige Zeit nach der Geburt ihre Kinder am liebsten in den Schrank stellen und nur bei Bedarf, in der Regel zum Angeben, wieder heraus holen würden. Ich war vielleicht nüchterner, aber dafür ausdauernd.

Die überwältigenden Gefühle, die so oft beim Thema Liebe angesprochen werden sind mir fremd. Unsterblich verliebt sein? Sehnsucht nach einem anderen? Berauscht sein vor Liebe? Schmetterlinge im Bauch? Weiche Knie bekommen? Kann ich alles nicht nachvollziehen. Ungeduldig auf die Freundin warten. Gerne mit ihr zusammen sein. Solche Formulierungen würde ich wählen. Gefühlsmäßige Verknüpfungen zwischen Körper und Kopf, wie Liebe ist Wärme und Herzrasen, gute Gefühle sind blau etc. habe ich nicht. Zumindest fällt mir nichts ein. Das ist mir so unbekannt, wie Farben hören, Töne sehen etc., was einige Menschen ja können.

Dass es etwas anderes ist, einen Blumenstrauß mitzubringen, als Geld zu geben, weiß ich, kann es aber nicht wirklich nachvollziehen. Ich komme von mir aus nicht auf die Idee Frau oder Kinder einfach so zu umarmen. Wenn ich in bestimmten Situationen daran denke, z.B. weil meine Frau die Kinder umarmt, fallen mir sofort Gründe ein, es besser nicht zu tun. Im Zweifel der Grund, dass es für mich ungewöhnlich ist, dass sie misstrauisch werden könnten usw.

Freude


Freude ist eines der Gefühle, von denen ich glaube, dass ich sie kenne. Allerdings wie bei allen Gefühlen mit der Einschränkung, dass mein Gefühl scheinbar viel "gedämpfter", als solche Gefühle von anderen geschildert werden.

Ich freue mich z.B. über ein Geschenk, wenn es nützlich ist oder wenn ich es schon länger haben wollte. An eine überschwängliche Freude über ein Geschenk kann ich mich nicht erinnern. Schon gar nicht an eine reine Freude, sogar wenn das Geschenk vollkommen unnütz ist, bloß weil ich etwas geschenkt bekommen habe. Über solche Geschenke freue ich mich eigentlich nicht. Ich nehme sie entgegen und bedanke mich höflich. Ich denke dabei aber z.B. daran, wie unsinnig die Geldausgabe war und wie ich mich verhalten muss, damit der Schenker nicht merkt, dass ich mich nicht freue.

Als Jugendlicher habe ich mal gegenüber meinen Eltern vorsichtig erwähnt, dass ein Geschenk wohl eher für meinen Bruder geeignet wäre, als für mich. Seine Interessen traf das Geschenk, meine überhaupt nicht. An den Reaktionen merkte ich, dass meine Bemerkung sehr schlecht ankam. Dabei hatte ich lange überlegt, wie ich das formulieren könnte, ohne zu beleidigen, aber trotzdem einen dezenten Hinweis zu geben.

Ich freue mich, wenn Deutschland ein Fußballspiel gewinnt. Ich finde es albern, deshalb mit dem Auto hupend herum zu fahren, Fremden um den Hals zu fallen etc.

Aktuelle Eindrücke beim Fernsehen


Seit einiger Zeit habe ich den Blog so eingestellt, dass ich eine Mail bekomme, wenn ein Kommentar eingestellt wird. Ich hatte das Thema Alexithymie also am Wochenende im Hinterkopf. Wahrscheinlich wurde mir deshalb beim Ansehen von 2 Sendungen im Fernsehen das etwas seltsame Verhalten anderer Menschen mal wieder deutlich bewusst.
In beiden Sendungen sollten mehr oder weniger prominente Leute unter anderem verschiedene Spielchen machen. Mit immer größer werdender Verwunderung und immer stärkerem inneren Kopfschütteln habe ich gesehen, wie begeistert diese Leute an diesen albernen Spielen teilnahmen.

Es sollten z.B. jeweils zwei zusammen Luftgitarre spielen. Anschließend wurden sie bewertet. Einige wehrten sich zu Anfang, zumindest zum Schein, am Spiel teil zu nehmen. Aber dann machten natürlich doch alle fleißig mit und schienen tollen Spaß dabei zu haben. Die Juroren quälten sich Argumente zusammen, um eine scheinbar sinnvolle Bewertung der jeweiligen Leistungen abzugeben.

Natürlich muss man berücksichtigen, dass Menschen aus der Medienwelt noch mal deutlich extrovertierter sind, als normale Menschen. Vermutlich ist in Fernsehshows auch alles genau abgesprochen, auch sich am Anfang scheinbar zu wehren. Aber selbst wenn ich das berücksichtige, ist es mir vollkommen unerklärlich, wie man sich in dieser Form in der Öffentlichkeit so zum Affen machen kann. Mir wäre es schon peinlich gewesen, überhaupt im gleichen Raum zu sein, wo so etwas stattfindet. Ähnliche Spielchen werden ja auch bei Vereinsfesten, Betriebsfeiern, Familienfesten usw. veranstaltet. Und die meisten Teilnehmer sind dort genau so begeistert.

Für mich ist diese Begeisterung nicht nachvollziehbar. Ich fühle mich bei solchen Spielen total veralbert. Mich nerven schon diese gruppendynamischen Spiele, die bei vielen beruflichen Fortbildungen Einzug gehalten haben. Aus irgendwelchen Spielen werden dort sogar noch willkürlich Schlüsse gezogen, die in das Kurskonzept passen, selbst wenn der Spielverlauf ganz andere Schlüsse nahe legt. Ich mache dann höchstens widerwillig mit und denke die ganze Zeit, was für einen Unfug wir da gerade treiben. Hin und wieder kann ich es mir auch nicht verkneifen, offen zu sagen, was ich denke.