Mittwoch, 16. November 2011

Bilder


In Deutschland werden zur Visualisierung der Alexithymie häufig Menschen aus Eis oder in Eis gepackte Menschen dargestellt. Von außen betrachtet, mögen Betroffene vielleicht so wirken. Aus meiner Sicht sind solche Darstellungen unpassend. Diese Bilder unterstellen, dass Betroffene völlige gefühllos sind.

Treffend sind Bilder aus dem englischsprachigen Raum, in denen Betroffene mit zugeklebtem Mund oder mit einem Reißverschluss vor dem Mund dargestellt werden. So wird deutlich, dass betroffene nicht gefühllose Roboter sind, sondern dass irgend etwas sie daran hindert, über Gefühle zu sprechen.

Ich selbst würde mich in einer Ritterrüstung darstellen. Bei Gefahr wird das Visier herunter geklappt.
In einem komplexeren Bild als mittelalterliche Stadt. Die Stadt ist von einer Stadtmauer geschützt. So lange keine Gefahr besteht, sind die Stadttore geöffnet und der Austausch mit der Umwelt kann über die Tore kontrolliert vorgenommen werden. Bei Gefahr werden die Tore sofort verschlossen.
Mit diesen Bildern wird deutlich, dass mein Verhalten zumindest zum Teil eine Reaktion auf meine Erfahrungen mit anderen Menschen ist.

Liebe


Liebe ist für mich die Sorge, dass der Familie etwas passiert und für die Familie da zu sein. Also die tägliche Kleinarbeit und Zuverlässigkeit. Nicht das große Gerede und Getue.

Irgendwann wollte meine Frau einen regelmäßigen Abschiedskuss, wenn ich zur Arbeit gehe. Für mich gehört so etwas zu den überflüssigen, blöden Routinen. Weil es ihr wichtig war, hielt ich die Wange hin, sie gab ihren Kuss und beide konnten damit leben - glaube ich. Irgendwann war ich sauer auf sie und seitdem halte ich meine Wange nicht mehr hin und der Abschiedskuss entfällt. Mir ist unverständlich, warum solche Rituale als Zeichen der Liebe wichtig sein sollten.

Vaterstolz, der wohl auch eine Form von Liebe ist, oder Ähnliches bei der Geburt meiner Kinder habe ich nicht empfunden. Ich wollte bei den Geburten nicht dabei sein, war aber auf Wunsch meiner Frau kurzfristig bei der ersten Geburt doch dabei. Per Bahn direkt von der Arbeit in den Kreissaal. Tolle Gefühle dabei hatte ich nicht. Genau hingeschaut habe ich während der Geburt nicht, weil ich mir den Anblick nicht gerade als angenehm vorgestellt habe. Dafür bin ich aber auch nicht umgekippt, wie der tolle Mustervater nebenan.

Ich finde das Getue vieler Eltern vor und nach der Geburt extrem übertrieben. In einem Gespräch wurde ich als Rabenvater bezeichnet, weil ich das so offen ausgesprochen hatte und obwohl der Gesprächspartner mein Verhalten als Vater gar nicht kannte. Für ihn war anscheinend das Reden wichtiger als das Handeln, bei mir ist es genau anders herum. Zumal ich den Eindruck habe, dass viele Eltern spätestens einige Zeit nach der Geburt ihre Kinder am liebsten in den Schrank stellen und nur bei Bedarf, in der Regel zum Angeben, wieder heraus holen würden. Ich war vielleicht nüchterner, aber dafür ausdauernd.

Die überwältigenden Gefühle, die so oft beim Thema Liebe angesprochen werden sind mir fremd. Unsterblich verliebt sein? Sehnsucht nach einem anderen? Berauscht sein vor Liebe? Schmetterlinge im Bauch? Weiche Knie bekommen? Kann ich alles nicht nachvollziehen. Ungeduldig auf die Freundin warten. Gerne mit ihr zusammen sein. Solche Formulierungen würde ich wählen. Gefühlsmäßige Verknüpfungen zwischen Körper und Kopf, wie Liebe ist Wärme und Herzrasen, gute Gefühle sind blau etc. habe ich nicht. Zumindest fällt mir nichts ein. Das ist mir so unbekannt, wie Farben hören, Töne sehen etc., was einige Menschen ja können.

Dass es etwas anderes ist, einen Blumenstrauß mitzubringen, als Geld zu geben, weiß ich, kann es aber nicht wirklich nachvollziehen. Ich komme von mir aus nicht auf die Idee Frau oder Kinder einfach so zu umarmen. Wenn ich in bestimmten Situationen daran denke, z.B. weil meine Frau die Kinder umarmt, fallen mir sofort Gründe ein, es besser nicht zu tun. Im Zweifel der Grund, dass es für mich ungewöhnlich ist, dass sie misstrauisch werden könnten usw.

Freude


Freude ist eines der Gefühle, von denen ich glaube, dass ich sie kenne. Allerdings wie bei allen Gefühlen mit der Einschränkung, dass mein Gefühl scheinbar viel "gedämpfter", als solche Gefühle von anderen geschildert werden.

Ich freue mich z.B. über ein Geschenk, wenn es nützlich ist oder wenn ich es schon länger haben wollte. An eine überschwängliche Freude über ein Geschenk kann ich mich nicht erinnern. Schon gar nicht an eine reine Freude, sogar wenn das Geschenk vollkommen unnütz ist, bloß weil ich etwas geschenkt bekommen habe. Über solche Geschenke freue ich mich eigentlich nicht. Ich nehme sie entgegen und bedanke mich höflich. Ich denke dabei aber z.B. daran, wie unsinnig die Geldausgabe war und wie ich mich verhalten muss, damit der Schenker nicht merkt, dass ich mich nicht freue.

Als Jugendlicher habe ich mal gegenüber meinen Eltern vorsichtig erwähnt, dass ein Geschenk wohl eher für meinen Bruder geeignet wäre, als für mich. Seine Interessen traf das Geschenk, meine überhaupt nicht. An den Reaktionen merkte ich, dass meine Bemerkung sehr schlecht ankam. Dabei hatte ich lange überlegt, wie ich das formulieren könnte, ohne zu beleidigen, aber trotzdem einen dezenten Hinweis zu geben.

Ich freue mich, wenn Deutschland ein Fußballspiel gewinnt. Ich finde es albern, deshalb mit dem Auto hupend herum zu fahren, Fremden um den Hals zu fallen etc.

Aktuelle Eindrücke beim Fernsehen


Seit einiger Zeit habe ich den Blog so eingestellt, dass ich eine Mail bekomme, wenn ein Kommentar eingestellt wird. Ich hatte das Thema Alexithymie also am Wochenende im Hinterkopf. Wahrscheinlich wurde mir deshalb beim Ansehen von 2 Sendungen im Fernsehen das etwas seltsame Verhalten anderer Menschen mal wieder deutlich bewusst.
In beiden Sendungen sollten mehr oder weniger prominente Leute unter anderem verschiedene Spielchen machen. Mit immer größer werdender Verwunderung und immer stärkerem inneren Kopfschütteln habe ich gesehen, wie begeistert diese Leute an diesen albernen Spielen teilnahmen.

Es sollten z.B. jeweils zwei zusammen Luftgitarre spielen. Anschließend wurden sie bewertet. Einige wehrten sich zu Anfang, zumindest zum Schein, am Spiel teil zu nehmen. Aber dann machten natürlich doch alle fleißig mit und schienen tollen Spaß dabei zu haben. Die Juroren quälten sich Argumente zusammen, um eine scheinbar sinnvolle Bewertung der jeweiligen Leistungen abzugeben.

Natürlich muss man berücksichtigen, dass Menschen aus der Medienwelt noch mal deutlich extrovertierter sind, als normale Menschen. Vermutlich ist in Fernsehshows auch alles genau abgesprochen, auch sich am Anfang scheinbar zu wehren. Aber selbst wenn ich das berücksichtige, ist es mir vollkommen unerklärlich, wie man sich in dieser Form in der Öffentlichkeit so zum Affen machen kann. Mir wäre es schon peinlich gewesen, überhaupt im gleichen Raum zu sein, wo so etwas stattfindet. Ähnliche Spielchen werden ja auch bei Vereinsfesten, Betriebsfeiern, Familienfesten usw. veranstaltet. Und die meisten Teilnehmer sind dort genau so begeistert.

Für mich ist diese Begeisterung nicht nachvollziehbar. Ich fühle mich bei solchen Spielen total veralbert. Mich nerven schon diese gruppendynamischen Spiele, die bei vielen beruflichen Fortbildungen Einzug gehalten haben. Aus irgendwelchen Spielen werden dort sogar noch willkürlich Schlüsse gezogen, die in das Kurskonzept passen, selbst wenn der Spielverlauf ganz andere Schlüsse nahe legt. Ich mache dann höchstens widerwillig mit und denke die ganze Zeit, was für einen Unfug wir da gerade treiben. Hin und wieder kann ich es mir auch nicht verkneifen, offen zu sagen, was ich denke.

Samstag, 30. Juli 2011

Gefühle


Positive Gefühle definiere ich im Grunde über nicht vorhandene negative Gefühle. Ich fühle mich z.B. schlecht, wenn ich krank bin, mich heftig gestritten habe etc. Wenn ich mich nicht schlecht fühle, fühle ich mich normal. Wenn man auf entsprechende Fragen antwortet, dass man sich normal fühlt, kommt meistens die Nachfrage, was normal heißt. Deshalb sage ich in der Regel, dass ich mich gut fühle, wenn ich mich normal fühle. Aber eigentlich wäre gut fühlen für mich etwas besonderes, das ich aber nicht kenne. Als wäre meine Erwartung an gut fühlen so hoch, dass es nie eintritt. Dieses Prinzip gilt allgemein auch für andere positive Gefühle.
Ich kann mich ärgern und wütend sein. Ich habe aber nicht dauernd Wut im Bauch. Ich kann mitfühlen, zumindest im Sinn von Verständnis haben, traurig sein, Witze verstehen und erzählen, beleidigt sein. Mir ist auch nicht ständig alles egal.

In meiner Begriffswelt habe ich jede Menge Gefühle. Ich bin aber unsicher, ob ich dann wirklich so fühle, wie andere. Ohnmacht fühlen z.B. sagt mir nichts. Ich verstehe den Sinn des Begriffs, weiß aber nicht, ob ich jemals Ohnmacht gefühlt habe. Ich würde Formulierungen verwenden, wie ich konnte eine Situation nicht beeinflussen. Ist das dann Ohnmacht fühlen? Oder zeigt schon diese Umschreibung, dass ich Ohnmacht eben nicht fühlen kann?

Ich kenne Kribbeln im Bauch bei Unbekanntem, z.B. Vorstellungsgesprächen, und Aufregung, z.B. besonders spannendem Sport. Kribbeln im Bauch oder die oft genannten Schmetterlinge im Bauch aus Liebe kenne ich nicht. Ich fühle in peinlichen Situationen Blut in den Kopf steigen. An Träume kann ich mich praktisch nie erinnern.

Freitag, 15. Juli 2011

Gefühle zeigen


Meine Frau, ich und teilweise die Kinder haben vor Jahren an einer regelmäßigen, langjährigen Partnerberatung teilgenommen. Die Beratung hatte übrigens nichts mit Alexithymie zu tun. Dort herrschte Einvernehmen, dass meine Frau in einer sehr gefühlsbetonten Umgebung aufgewachsen ist, in der Gefühle offen gezeigt wurden. Ich in einer eher rationalen Umgebung, in der Gefühle weniger offen gezeigt wurden.

Ich war z.B. völlig überrascht, als meine Frau in der Beratung erwähnte, dass sie unsicher sei, ob mir ihr Essen schmecke, weil ich nie von mir aus sage, dass es mir gut geschmeckt hat. Für mich war das klar, weil ich mich nie über ihr Essen beklage. Nach dem Gespräch war das Thema für mich wieder erledigt. Standardantwort auf die Frage wie hat es geschmeckt, ist „ordentlich“. Mit zunehmendem Alter machten sich unsere Kinder über die Antwort lustig. Als ich dann irgendwann mit „gut“ antwortete, wurde die Sensation gebührend gewürdigt. Mittlerweile rutscht mir schon mal unbedacht einfach ein „gut“ heraus. Gut bedeutet im Grunde nichts anderes, als früher ordentlich. Aber meine Frau freut sich. Glaube ich.

Wenn andere Menschen positive Gefühle wie Freude etc. stark zeigen oder überschwänglich darüber reden, empfinde ich das meistens als stark übertrieben, heuchlerisch etc. Jemand der z.B. seine Liebe beteuert, Blumen mitbringt etc., steht bei mir unter Verdacht, dass er nur eine Show abzieht. Diese Denkweise ist mit ein Grund, warum ich schwer von Liebe sprechen kann. Das könnte ja als Show verstanden werden.

Solche Rückkopplungen sind typisch. Ich tue etwas nicht, weil man es nicht von mir gewohnt ist und Missverständnisse entstehen könnten, oder zumindest besondere Aufmerksamkeit entstehen könnte.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Soziale Kontakte


Öffentliche gemeinschaftliche Gefühlsbekundungen waren mir schon als Kind ein Graus. Bei Karnevalsveranstaltungen habe ich nie schunkeln wollen, sondern ließ mich höchstens widerwillig mitschunkeln. Noch immer meide ich solche Gelegenheiten bzw. weigere mich mitzumachen, z.B. beim Singen an Lagerfeuern. Singen im Schulchor hingegen ging. An Betriebsfeiern, Geburtstagen etc. nehme ich ungern teil.

Bei Verabredungen zum gemeinsamen Lernen, Spielen, Sport, Geburtstagen etc. habe ich als Kind und Jugendlicher immer Ausreden gefunden, warum ich nicht zu anderen bzw. andere nicht zu mir kommen konnten. Genau so trenne ich heute Privates und Berufliches völlig voneinander.

Mir ist es peinlich, wenn sich die jeweiligen getrennten Welten bzw. die Bekannten begegnen würden.

Streitereien haben dazu geführt, dass ich seit vielen Jahren keinen Kontakt mit meinen Eltern habe. Zwischenzeitlich hatte ich per Mail Kontakt zu meiner Schwester, der aber eingeschlafen ist, weil ich ihre letzte Mail nicht beantwortet habe. Mir fiel einfach nichts mehr ein.

Auf fremde Menschen gehe ich ungern zu. Ich fühle mich schon unwohl, wenn ich im Geschäft einen Verkäufer oder eine Verkäuferin ansprechen muss. Am liebsten schicke ich dann meine Frau vor. Mir ist es unangenehm bis peinlich, in einem Restaurant bedient zu werden.

Smalltalk mag ich nicht, geht aber gut, wenn es nötig ist, z.B. beruflich. Privat reagiere ich häufig sarkastisch, wenn zu viel Unsinn geredet wird. Lieber unterhalte ich mich über konkrete Sachthemen, als über Unverbindliches.

Meinen Geburtstag habe ich immer nur mit Frau und Kindern gefeiert. Wobei feiern heißt, ein Stück Kuchen zusammen essen.

Kontaktpflege betreibe ich nicht. Freunde habe ich nicht. Ich vermisse sie aber auch nicht. Freunde würden mich nur beanspruchen. Wahrscheinlich genau dann, wenn es besonders ungünstig ist. Ich mag keine gegenseitigen Verpflichtungen, wie sie sich aus Freundschaften notwendigerweise ergeben. Für die sozialen Kontakte ist meine Frau zuständig.

Ich bevorzuge bekannte Umgebungen. An unbekannten Orten fühle ich mich bis zur Eingewöhnung unwohl. Ich versuche solche Situationen zu vermeiden.

Beruflich muss ich mich über viele der aufgeführten Hindernisse hinweg setzen. Z.B im Hotel wohnen etc. Das geht natürlich. Ich glaube nicht einmal, dass Andere das bemerken. Höchstens wird bemerkt, dass ich solche Situationen vermeide. Allerdings kann ich dann dafür nach außen auch plausible, andere Gründe angeben.

Mir würde die sprichwörtliche Insel mit Computeranschluss, Nahrungsmitteln und Frau reichen. Psychologen würden vermutlich die Reihenfolge bemerken.