Sonntag, 7. Juni 2009

Vorteile


Es gibt eine Reihe vorteilhafter Charakterzüge, die bei Alexithymen ausgeprägter sind, als bei nicht Betroffenen. Leider werden die Vorteile selten erwähnt werden (in Klammern wie ich mich einschätze):

  • Sagen ihre Meinung (stimmt, auch wenn das manchmal Nachtteile bringt)
  • Zuverlässigkeit (stimmt)
  • Achten auf Details (stimmt)
  • Ordnungssinn (moderat, aber zu unordentlich darf es nicht sein)
  • Ausdauer (bei Dingen die mich interessieren)
  • Geduld bei interessierenden Themen (aber nicht immer)
  • Loyalität (stimmt)
  • Empfindsamkeit für körperliche Reize, wie hören, fühlen, sehen, riechen (normal)
  • Können sich bestimmte Dinge gut merken, wie Namen, Daten, Pläne, Routineabläufe (stimmt höchstens für Gesprächsabläufe)
  • Für bestimmte Spiele und Sportarten begabt (habe wohl noch nicht das richtige gefunden)

  • Meine eigene Einschätzung bzgl. dieser Merkmale beruht auf Rückmeldungen, die ich von anderen Menschen in privaten und beruflichen Situationen erhalten habe.

    Mir wird immer wieder bestätigt, dass ich gute analytische Fähigkeiten habe und dass ich pragmatisch und zuverlässig bin. Normalerweise gelte ich als ruhig und besonnen. Es haben sich schon einige langjährige Bekannte verwundert gezeigt, wenn ich mal „aus mir heraus gegangen“ bin, weil sie mich so nicht kannten.

    Für diese positiven Eigenschaften nehme ich ein paar damit untrennbar verbundene negative Eigenschaften gern in Kauf. Ich bin mit meinen Stärken und Schwächen ganz zufrieden.

    Es sind Eigenschaften, die wertvoll sind. Viele andere Menschen hätten diese Eigenschaften gerne. Betroffene sind nicht minderwertig, sondern unterscheiden sich von Anderen. Die Unterschiede können nützlich und vorteilhaft sein. Alexithyme haben Stärken und Schwächen. Sie können sich so akzeptieren, wie sie sind. Sie müssen sich nicht von Anderen Minderwertigkeitskomplexe und Krankheiten einreden lassen.

    Auch Menschen ohne Alexithymie haben übrigens nicht nur gute, sondern auch negative Eigenschaften. Auch diese Menschen leben nicht in einem Paradies ohne Probleme.

    Menschen, die auf mich sehr emotional wirken, waren für mich schon immer fast genau das Gegenteil zu den Eigenschaften oben. Je emotionaler Menschen sich geben, desto:

  • Heuchlerischer sind sie
  • Unzuverlässiger sind sie
  • Oberflächlicher sind sie
  • Unordentlicher sind sie
  • Sprunghafter, flatterhafter sind sie
  • Schneller verlieren sie ihr Interesse
  • Weniger loyal sind sie

  • Einige Enttäuschungen könnten also auf einer vollkommen unterschiedlichen Gefühlswahrnehmung beruhen.

    Interessant sind in diesem Zusammenhang Ergebnisse einer Studie, nach der Betroffene von anderen wenig erwarten und ihrerseits nicht sonderlich daran interessiert sind, die Erwartungen anderer zu erfüllen.

    Natürlich ist diese Bewertung besonders gefühlvoller Menschen pauschal. Es rückt die Verhältnisse aber in ein besseres Licht und macht hoffentlich deutlich, wie stark viele Aussagen vom Standpunkt abhängen und wie pauschal und einseitig viele Aussagen über alexithyme Menschen sind.

    Richtiger ist die Formulierung: Unter den scheinbar nicht alexithymen Mitmenschen gibt es eine Gruppe, die auf mich heuchlerisch, unzuverlässig usw. wirkt und von der ich mich gerne fern halte, weil es auf Dauer zu Missverständnissen, Problemen, Konflikten, Streit etc. kommt.

    Mittwoch, 3. Juni 2009

    Was ist Alexithymie?


    Die Bezeichnung Alexithymie ist aus griechischen Wörtern bzw. Silben zusammen gesetzt:
    A = Verneinung, Hinweis auf einen Mangel
    Lexis = Sprechen, Wort
    Thymos = Gemüt, Gefühl

    Deutsche Übersetzungen sind z.B.:
    Ohne ein Wort für Gefühl
    Nicht Lesen können von Gefühlen

    Alexithyme Menschen haben also Schwierigkeiten, Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und Worte für Gefühle zu finden.

    Es gibt eine Vielzahl von Aufzählungen der wesentlichen Merkmale von Alexithymie. Teilweise stellt sich der Eindruck ein, als hätten die Autoren keine geeigneten deutschen Übersetzungen bei verwendeten englischen Texten gefunden. So werden z.B. bodily sensations zu körperlichen Sensationen. Möglicherweise ist das auch der jeweiligen Fachsprache geschuldet. Erfreulicherweise gibt es Autoren, die das Verständnis erleichtern, indem sie von körperlichen Empfindungen schreiben.

    Es wurden 4 charakteristische Merkmale für Alexithymie definiert. Ich gebe die Merkmale so wieder, wie sie meinem Verständnis unterschiedlicher Quellen entsprechen:

    1.Schwierigkeiten, Gefühle zu erkennen und diese von körperlichen Empfindungen zu unterscheiden, die durch emotionale Erregung hervorgerufen werden (difficulty identifying feelings and distinguishing between feelings and bodily sensations of emotional arousal)
    2.Schwierigkeiten, die eigenen Gefühle gegenüber Anderen zu beschreiben (difficulty describing feelings to other people).
    3.Reizgebundene, realitätsorientierte, faktenzentrierte Denk- und Sprechweise, mit wenigen emotionalen Komponenten (stimulus-bound, externally oriented cognitive style).
    4.Eingeschränkte Vorstellungskraft, die sich z.B. in einem Mangel an Phantasie äußert (constricted imaginal processes, as evidenced by a paucity of fantasies).

    Punkt 1. bereitet mir Verständnisprobleme.
    Klar ist, dass nicht aussagt wird, dass alexithyme Menschen keine Gefühle haben. Sie erleben auch emotionale Ausbrüche, z.B. Wut. Sie erkennen aber häufig Ursache und Qualität nicht.

    Ich verstehe auch, dass Alexithyme bei körperlichen Empfindungen die Ursache in der Regel nicht bei bestimmten Gefühlen suchen, sondern äußere Gründe anführen. Sie weinen nicht aus Rührung, sondern weil eine Tränendrüse entzündet ist usw.

    Ich verstehe aber den Unterschied nicht zwischen Gefühlen und „körperlichen Empfindungen, die durch emotionale Erregung hervorgerufen werden“ bzw. was damit ausgesagt werden soll. Ich dachte, Gefühle sind körperliche Empfindungen, die durch emotionale Erregung hervorgerufen werden.

    Punkt 2. ist einfacher. Wenn ich ihn nicht total falsch verstehe. Aber schon die Schwierigkeiten bei Punkt 1. belegen, dass Probleme bei der Beschreibung von Gefühlen auftreten.

    Punkt 3. verstehe ich so, dass der Anstoß über ein Thema nachzudenken oder zu sprechen, praktisch immer von Außen aus der realen Welt kommt. Es wird in der Regel auf äußere Einflüsse reagiert. Es wird nicht über die eigene (Gefühls-)Welt nachgedacht oder gesprochen.

    Punkt 4. bedeutet nach meinem Verständnis, dass auch die Phantasie immer auf Realitäten aufbaut. Diese Realitäten werden variiert und evtl. weiter durchdacht. Es treten aber keine spontanen, überraschenden Wendungen auf.
    Träume sind z.B. sehr konkret. Es wird oft sehr detailliert geträumt, z.B. über tägliche Erlebnisse oder Gewalt. Traumelemente wie Symbole, Verdichtungen(?) und Verdrängungen(?) (symbolization, condensation, and displacement) fehlen. Typische Träume sind „Auto waschen”, „Lebensmittel kaufen“ usw.

    Diese und nur diese 4 Merkmale sind als Eigenschaften der Alexithymie definiert. Sie sind die entscheidenden Kriterien, anhand derer geprüft wird, ob Alexithymie vorliegt. Es sind jedoch keine Merkmale, die eindeutig vorliegen, oder nicht vorliegen. Die Merkmale sind bei unterschiedlichen Personen verschieden stark ausgeprägt. Auch bei nicht alexithymen Menschen treten diese Charakterzüge von Zeit zu Zeit auf.

    Alexithyme erleben diese Züge aber oft sehr stark und fast ständig. Dadurch werden das persönliche und das soziale Erleben eingeschränkt. Auf andere Menschen wirken Alexithyme teilweise emotions- bzw. gefühllos. Alexithyme wiederum haben Schwierigkeiten, die Emotionen und Gefühle ihrer Mitmenschen richtig zu deuten. Hierdurch können leicht zwischenmenschliche Konflikte und Missverständnisse entstehen.

    Ein häufiges Missverständnis ist, dass Alexithyme Gefühle grundsätzlich nicht verbal ausdrücken können und das sie nicht einmal anerkennen, dass sie Gefühle haben. Schon früh fiel Medizinern auf, dass Alexithyme ängstlich sein können, Depressionen haben können usw. Betroffene können diese Gefühle aber, über einige wenige Adjektive hinaus, nicht ausführlich beschreiben.

    Entscheidend ist, dass Alexithyme ihre Gefühle kaum differenziert erleben. Das schränkt ihre Möglichkeiten stark ein, ihre Gefühle auseinander zu halten und zu beschreiben. Sie erleben sich deshalb von ihren Gefühlen abgeschnitten und haben Probleme, Beziehungen zu anderen auf zu bauen. Alexithyme haben oft Schwierigkeiten, positive Gefühle zu erleben.