Montag, 5. Dezember 2011

Interessante Originalstudien


Hier noch ein paar originale Studien über Alexithymie, die die Aussagen hier im Block unterstützen und ergänzen. Alle aufgelisteten Arbeiten sind im Internet frei zugänglich. Ich verlinke die Arbeiten nicht, weil sich solche Links schnell ändern. Mit Titel und Autor lassen sich die Artikel schnell mit Suchmaschinen finden. Mit den Suchbegriffen "Alexithymia" und "pdf2 lassen sich noch viele andere wissenschaftliche Arbeiten aus erster Hand finden. Darunter sind aber viele Studien, die sich mit ganz speziellen Fragestellungen beschäftigen.

Die genannten Arbeiten enthalten neben den direkt behandelten Aspekten oft auch weitere interessante Aussagen über Alexithymie. Meistens ist zumindest ein kurzer Abschnitt mit den wichtigsten Grundannahmen zur Alexithymie enthalten. In der Regel ist es für medizinische Laien nur sinnvoll die einleitenden Kapitel und die Ergebnisdiskussionen am Ende zu lesen.
Trotzdem sollte man hin und wieder mal auch tiefer hinein sehen. Es ist sicher interessant zu sehen, auf welch geringen Teilnehmerzahlen und speziellen Teilnehmergruppen einige Thesen beruhen. Interessant ist auch, mit welchen statistischen Methoden manche Aussagen aus dem Durchschnittsergebnis heraus gearbeitet werden. Nicht zuletzt wird auch klar, dass viele Fragen noch in Diskussion sind.

Alexithymia in Finnish General Population
Aino Mattila

Die Dissertation ist von 2009 und behandelt sehr viele Aspekte der Alexithymie. Weil sie zudem sehr verständlich geschrieben ist, gibt sie einen sehr guten, aktuellen Überblick über viele Fragestellungen im Zusammenhang Alexithymie.

Die Sprache der Gefühle. Die Entwicklung unserer emotionalen Fähigkeiten.
Matthias Franz

Die Arbeit beschreibt wie sich die emotionalen Fähigkeiten bei Kindern entwickeln und wie durch fehlende Faktoren alexithyme Merkmale entstehen können.

Associations between Alexithymia and mental well-being in Adolescents
Max Karukivi

Die Studie untersucht Zusammenhänge zwischen Alexithymie und der frühkindlichen Entwicklung, sowie Zusammenhänge zwischen Alexithymie und psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen usw.

Affective Deprivation Disorder: Does it Constitute a Relational Disorder?
Harriet F. Simons Ph.D, Jason R. Thompson

Zusammenhänge zwischen Alexithymie und Partnerschaftskonflikten werden diskutiert.

Alexithymia in the interpersonal domain: A general deficit of empathy
Delphine Grynberg , Olivier Luminet, Olivier Corneille, Julie Grèzes, Sylvie Berthoz

Der Einfluss von Alexithymie auf die Fähigkeit zur Empathie, also zum Einfühlungsvermögen, wird untersucht.

Impaired Verbal and Nonverbal Emotion Recognition in Alexithymia
Richard D. Lane, MD, Lee Sechrest, PHD, Robert Reidel, PHD, Victoria Weldon, BS, Alfred Kaszniak, PHD, and Gary E. Schwartz, PHD

Die Studie prüft, ob Aylexithyme Gefühle nicht wahrnehmen können, oder ob sie Gefühle nur nicht in Worte fassen können.

Gender Differences in Alexithymia
Ronald F. Levant, Rosalie J. Hall, Christine M. Williams, and Nadia T. Hasan

Diese Meta-Studie - d.h. die Studie wertet andere Studien aus -  hinterfragt, ob Männer häufiger alexithym sind, als Frauen.

Alexithymie und Psychotherapie
Rufer, M; Jenewein, J

Die Studie stellt in Frage, dass Alexithymie den Verlauf von psychotherapeutischen Behandlungen immer negativ beeinflusst.

Alexithymia Assessment and Relations with Dimensions of Personality
Grégoire Zimmermann, Jérôme Rossier, Franz Meyer de Stadelhofen, and François Gaillard

Die Studie beleuchtet bisher wenig beachtete Zusammenhänge zwischen Alexithymie und Persönlichkeit, z.B. Impulsivität und Irrationalität.

Empathy and Judging Other’s Pain: An fMRI Study of Alexithymia
Cerebral Cortex September 2007

Durch Messung der Hirnaktivitäten wurde untersucht, wie Alexithyme auf Bilder reagieren, auf denen Menschen mit Schmerzen zu sehen sind, und wie sie diese Schmerzen im Vergleich zu nicht Alexithymen einschätzen.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Offene Fragen und scheinbare Widersprüche


Die Beschäftigung mit Alexithymie kann schnell zu Verwirrung führen. Es gibt die schon erwähnten vier Kriterien zur Alexithymie. Darüber hinaus scheint jeder Autor unter Alexithymie etwas anderes zu verstehen. Die unterschiedlichen Konzepte zur Erklärung von Ursachen und Wirkungen klingen dabei in sich meistens plausibel, scheinen sich oft aber gegenseitig zu widersprechen. Sie lassen z.B. offen, ob es eine spezifische Ursache für eine spezifische Alexithymie gibt, oder ob es mehrere Ursachen für verschiedene Arten von Alexithymie gibt. Mal gelten Entwicklungsstörungen im Gehirn als Ursachen, dann eine gestörte Beziehung zwischen Mutter und Kind, dann wieder mehr oder weniger traumatische Erlebnisse, chronischer Stress etc. in jeder Altersphase usw.

Auch die Hirnforschung klärt nicht, ob z.B. Auffälligkeiten bei der Informationsverarbeitung die Ursache für Alexithymie oder die Folge von Alexithymie sind. Oder ob diese Auffälligkeiten und Alexithymie sogar unterschiedliche Folgen einer Ursache sind. Die meisten Autoren interpretieren diese Fragen auf jeweils ihre eigene Art, statt sie offen anzusprechen.

Entsprechend unklar ist, ob es Behandlungsmöglichkeiten gibt. Je nach Autor und angenommener Ursache wird behauptet, dass eine Behandlung nicht möglich ist, oder es werden Erfolg versprechende Behandlungsansätze beschrieben.

Auch die Kernfrage wird nicht eindeutig beantwortet: Haben Betroffene weniger oder kaum Gefühle, oder können sie diese nur nicht benennen?

Dieser chaotische Eindruck entsteht hauptsächlich, weil die Autoren sich auf bestimmte Aspekte beschränken müssen und nicht alle Facetten der Alexithymie betrachten werden. Leider wird das aber nicht einmal angedeutet. Besonders in den nicht wissenschaftlichen Medien wird stark vereinfacht, ohne entsprechende Hinweise. Oft wird zudem unterschlagen, dass viele Aussagen zur Alexithymie noch Theorien, Hypothesen und Vermutungen sind. Die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zahlreichen Einschränkungen durch Wörter wie „möglich“, „vielleicht“, „scheinbar“ etc., werden in anderen Medien meistens weg gelassen.

Deshalb noch einige Informationen, die vielleicht einige Widersprüche etwas aufhellen.
Im Zusammenhang mit Alexithymie werden manchmal 3 Typen unterschieden:

Typ I
Betroffene haben ein wenig ausgeprägtes Gefühlsleben, wenig Fantasie und sie können ihre Gefühle nur schlecht identifizieren, bewerten und mitteilen. Sie können nicht über ihre Gefühle sprechen und wissen nicht, was sie fühlen.

Typ II
Betroffene empfinden Gefühle, haben aber Schwierigkeiten Gefühle in Worte zu fassen, sie zu identifizieren und zu analysieren. Im Gegensatz zu Typ I haben sie eine gut entwickelte Vorstellungskraft. Unter den Alexithymen mit Typ II sind oft Opfer von sexuellem Missbrauch zu finden.

Typ III
Betroffene können über ihre Gefühle sprechen, Gefühle identifizieren und analysieren, aber ihr Gefühlsleben ist wenig entwickelt und sie haben wenig Fantasie.

Von primärer Alexithymie wird gesprochen, wenn die Alexithymie angeboren, oder durch Erfahrungen oder Ereignisse in der frühen Kindheit entstanden ist. Die Alexithymie ist dann quasi ein Teil der Persönlichkeit.
Wenn die alexithyme Eigenschaften eine ganz bestimmte Ursache haben und nur zeitweise auftreten, wird von sekundärer Alexithymie gesprochen. Solche Ursachen können z.B. traumatische Erfahrungen bei schrecklichen Ereignissen sein.
Im Englischen wird auch von trait alexithymia (primäre Alexithymie) und state alexithymia (sekundäre Alexithymie) gesprochen.

Die sekundäre Form wird in der Regel als "heilbar" betrachtet. Auch bei Formen, die nicht als vollständig "heilbar" gelten, kann nach einigen Quellen zumindest oft erreicht werden, dass Betroffene besser mit der Alexithymie bzw. mit ihren Mitmenschen umgehen können. Mir ist aber z.B. nicht klar, ob eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung in den ersten Lebensjahren des Kindes als sekundäre oder als primäre Alexithymie angesehen wird.

Diese Differenzierungen zeigen, dass viele Berichte und Diskussionen über Alexithymie sich nicht unbedingt widersprechen. Aber es ist sehr oft unklar, welcher Aspekt oder Typ betrachtet wird.
Unter dem Begriff Alexithymie ist eine große Bandbreite von unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen zusammen gefasst. Diese verschiedenen Merkmale sind jeweils auch noch unterschiedlich stark ausgeprägt.

Betroffene dürfen genau so wenig pauschal einfache Schubladen gesteckt werden, wie nicht Alexithyme. Es versucht ja auch niemand alle Handlungen eines nicht Alexithymen mit einigen wenigen Persönlichkeitseigenschaften bzw. Charakterzügen zu erklären und zu begründen.
Das ist besonders wichtig, wenn online direkt oder indirekt Betroffenen Erklärungen und Hilfestellung gegeben werden soll. Es entstehen sehr leicht falsche Vorstellungen. Es ist ein großer Unterschied, ob der Hilfe suchenden Freundin eines Betroffenen mitgeteilt wird, dass ihr Partner nie Gefühle haben wird, oder ob Möglichkeiten zur Hilfe aufgezeigt werden.


Samstag, 3. Dezember 2011

Warum zieht sich ein alexithymer Partner zurück


In Foren wird oft von nicht alexithymen Partnerinnen geklagt, dass ihre alexithymen Partner sich immer weiter zurück ziehen würden. Das können z.B. immer seltenere Telefongespräche bei getrennt wohnenden Paaren sein, oder immer seltenere Körperkontakte bei zusammen lebenden Paaren.

Ich versuche mal eine mögliche Erklärung aus meiner Sicht, also der Sicht eines alexithymen Mannes.

Auf zumindest einige gefühlsbetonte Frauen wirken alexithyme Männer anziehend. Vielleicht, weil Alexithyme ruhig, ausgeglichen und zurückhaltend wirken. Auf der anderen Seite können gefühlsbetonte Frauen auf alexithyme Männer attraktiv, warmherzig und liebevoll wirken. Im Unterbewusstsein hoffen wahrscheinlich beide Seiten sich gegenseitig zu ergänzen und so voneinander profitieren zu können.

Die Partnerin glaubt vielleicht sogar, dass seine Ruhe auf sie abfärbt und sie sich bei ihm geborgen fühlen kann. Er hofft vielleicht, dass ihre Emotionalität ihm Antrieb gibt. Auf Dauer wird seine Zurückhaltung von ihr zunehmend als Distanz wahrgenommen. Ihre Emotionalität nervt ihn, wenn sie zur ungelegenen Zeit kommt. In guten Zeiten können beide damit umgehen. Man ist eben etwas verschieden, aber dafür hat der jeweilige Partner ja auch seine guten Seiten.

Allerdings ist jeder Mensch manchmal überfordert oder gestresst und fühlt sich unwohl. Ein alexithymer Mann spricht mit seiner Partnerin darüber aber nicht. Sogar wenn er seine Empfindungen bewusst wahrnimmt und richtig deutet, redet er nicht mit ihr darüber. Alleine schon um sie nicht zu beunruhigen. In ihrer Emotionalität macht sie sich sonst Sorgen. Diese Sorgen würden ihn dann wieder zusätzlich belasten, weil sie ihn mit ihren sorgenvollen Gefühlen nerven, ja quasi erdrücken würde. Er versucht deshalb sein Befinden zu verbergen. Das wirkt auf seine Partnerin so, als wäre er noch weniger an ihr und ihren Gefühlen interessiert als sonst.

Wenn sie ihm daraufhin seine Distanziertheit oder sogar Gefühllosigkeit vorwirft, sind diese Vorwürfe für ihn völlig unverständlich. Er will sie ja gerade nicht belasten. Deshalb wird er die Vorwürfe als abwegig abtun. Seine Partnerin fühlt sich noch mehr zurückgewiesen und wird erst recht zu emotionalem Verhalten provoziert. Auf ihn wirkt sie immer theatralischer und nervtötender.

Während sie immer verzweifelter wird, verstärkt er seine Selbstbeherrschung. In seiner Wahrnehmung sieht er ja bei seiner Partnerin, dass Gefühle nur Schaden anrichten. Gleichzeitig versucht er gegenüber seiner Partnerin das jeweilige Verhalten abzustellen, dass sie ihm vorwirft. Er stellt aber nur ganz genau das Verhalten ab, dass sie ihm konkret vorwirft. Z.B. ruft er öfter an, wenn sie ihm vorwirft, zu selten anzurufen. Im Telefongespräch bleibt aber insgesamt weiterhin distanziert bzw. wirkt so, weil er keine Themen für das Gespräch findet, die sie interessieren.

Zug um Zug reagiert sie immer empfindlicher, während er sich genau deshalb immer weiter zurück zieht.

Dabei würde er gerade jetzt in seiner Schwächephase eine Partnerin brauchen, die ihn so liebt und akzeptiert, wie er wirklich ist. Die sich nicht von scheinbarer Ruhe und Stärke beeindrucken lässt. Die ihn quasi durchschaut und ihm Sicherheit und Unterstützung gibt, auch wenn er seine Gefühle nicht preisgibt.

Freitag, 2. Dezember 2011

Überblick über Alexithymie


In den einzelnen Beiträgen habe ich bisher versucht einen mehr oder weniger tiefen Blick auf einzelne Aspekte der Alexithymie zu geben. Ich kann mir vorstellen, dass dabei die Übersicht etwas gelitten hat. Deshalb versuche ich jetzt mal eine Übersicht, in der ich mich auf den meines Wissens unumstrittenen Wissensstand beschränke. Ich setze dabei die Begriffe Gefühl und Emotion gleich. Basis ist ein Beitrag des Teilnehmers Protsi im Forum auf alexithymie.org den ich vor Kurzem gefunden habe.

Der Begriff:

Alexithymie ist der Name für bestimmte Perönlichkeitsmerkmale von Menschen. Alexithymie ist keine Krankheit und für sich alleine kein Problem. Übersetzen kann man Alexithymie mit "Nicht-lesen-können der Stimmung". Alle Menschen neigen dazu, manche eigenen Gefühle zu unterdrücken oder Gefühle bei sich selbst oder bei anderen falsch einzuschätzen. Die Grenzen, wie stark diese Neigung ausgeprägt ist, sind dabei sind fließend. Von Alexithymie wird erst dann gesprochen, wenn das Unterdrücken oder die Fehleinschätzung von Gefühlen ein bestimmtes Ausmaß überschreitet. Ansonsten wären alle Menschen von Zeit zu Zeit alexithym. Ob ein Mensch alexithym ist, kann z .B. mit der Toronto Alexithymie Skala (TAS) ermittelt werden.

Der Inhalt:

Eine alexithyme Bearbeitung des eigenen Innenlebens bedeutet nicht, dass man gar keine Gefühle hat. Es kann dem Betroffenen oder seinen Angehörigen jedoch so vorkommen.

Menschen ohne irgendeine Emotion haben eine schwere neurophysiologische Störung, eine komplette Athymie. Sie sind völlig unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen. Jede menschliche Entscheidung braucht mindestens ein Stückchen Emotion als Grundlage. Egal wie logisch überdacht die Entscheidung ist. Athymie kommt selten vor und ist in der Regel mit einem Hirnschaden verbunden. Die Unfallopfer erstarren in einer endlosen logischen Schleife. Sie analysieren immer wieder ihr weiteres Vorgehen, ringen sich aber nie dazu durch etwas zu tun. Der Hungrige sitzt vor seinem Essen und stirbt nach ein Paar Tagen vor Durst und Hunger.

Menschen die eigene Emotionen überhaupt nicht wahrnehmen, haben die schwerste Form der Psychopathie. Die Emotionen sind im Psychopathen zwar da, sie werden aber nicht als solche erkannt. Die meisten Psychopathen sind nicht so schwer betroffen. Sie können vieles wahrnehmen, schalten aber die unangenehmen, bestrafenden Emotionen eher aus und können sich nicht in andere Menschen versetzen. Sie machen, wozu sie Lust haben, agieren instinktiv, ohne emotionelle Rücksicht, ohne Empathie.

Alexithymie ist etwas zwischen Athymie und Psychopathie. Alexithyme Menschen haben Emotionen. Manche Alexithyme nehmen Gefühle sogar sehr gut wahr, sowohl bei sich selber, als auch bei anderen. Das Wahrnehmungsspektrum ist jedoch enger und die Grenzen zwischen unterschiedlichen Emotionen sind viel verschwommener als bei den meisten Menschen.

Wo die meisten Menschen einen Regenbogen an Gefühlen wahrnehmen, nehmen Alexithyme einen flackernden, grauen Streifen wahr. Statt Zorn, Eifersucht, Angst usw., nehmen sie etwas war, von dem sie nicht wissen, ob es unangenehm, irritierend oder lustvoll ist. Es ist ihnen unklar. Vielleicht ist da etwas, vielleicht ist da aber auch nichts.

Der bewusste Zugang zu ihrer eigenen Befindlichkeit ist bei Menschen mit Alexithymie herabgesetzt. Sie spüren oft, dass etwas in ihnen vor sich geht, können es aber nicht präzise beschreiben. Sie merken oft körperliche Veränderungen, z.B. Herzrasen, Schwitzen, schnellerer Atem, wissen aber oft nicht, warum diese Veränderungen vor sich gehen. Herzrasen, Schwitzen und einen schnelleren Atem hat man beim Sport, bei Angst, bei Wut. Manchmal auch bei Verliebtheit, Lust oder Hunger.

Alle Menschen haben manchmal körperliche Symptome, die sie nicht zuordnen können. Bei Alexithymen ist das einfach ausgeprägter. Wenn sie sich selbst auf emotioneller Ebene aber nicht so gut kennen, fällt es ihnen umso schwerer, sich auf der emotioneller Ebene der Mitmenschen zu Recht zu finden. Deshalb ist ihre Empathie herabgesetzt.

Die Auswirkungen:

Meistens erkennen Alexithyme einige einfache und starke Emotionen. Die meisten Gefühle und vor allem die feineren Gefühle gehen quasi verloren. Wel Alexithyme bei sich nur die Emotionen erkennen, die für sie spezifisch sind, verlieren Gefühle in ihrem Leben an bewusster Bedeutung. Alexithymie können durchaus wissen, dass sie oder andere bestimmte Gefühle haben. Für sie sind diese Gefühle aber nicht besonders wichtig. Unbekannte Gefühle sind für Alexithyme oft sogar störend. Besonders über Gefühle zu reden, fällt Alexithymen schwer. Gefühle sind in ihren Augen unwichtig. Deshalb lohnt es nicht über Gefühle zu reden oder bei den anderen nach Gefühlen zu suchen.

Mit dem begrenzten inneren Verständnis für Gefühle sinkt auch die Empathie für andere. Aus Sicht eines Alexithymen sind sehr viele alltägliche Verhaltensmuster sinnlos. Weil sie z.B. bei Kontakten keine positiven, emotionalen Bindungen spüren, besteht für sie auch kein Anreiz Kontakte zu pflegen. Kontakte bringen für sie keine Belohnung.

Die Ursachen:

Die Veranlagung zur Alexithymie kann angeboren sein. Alexithymie kann aber auch erlernt werden. Entweder lernt ein Mensch erst gar nicht die eigenen Emotionen wahrzunehmen, oder er verlernt diese Wahrnehmung aufgrund von unangenehmen Erlebnissen. In beiden Fällen scheint die frühe Kindheit sehr wichtig zu sein. Wenn ein Kind die gezeigten Gefühle der Eltern, z.B. Lächeln der Mutter beim Stillen, nicht mit dem eigenen Befinden spiegeln kann, z.B. Wohlbefinden und Sättigung, kann das Kind alexithym werden. Wenn ein Kind aus seiner Sicht ständig unangenehmen emotionellen Reizen ausgesetzt wird, kann es aus Selbstschutz alexithym werden. In beiden Fällen wird Alexithymie zu einem wichtigen Merkmal der eigenen Persönlichkeit.

Mögliche Folgen:

Einige mögliche Merkmale der Alexithymie entsprechen Merkmalen, die auch bei Autismus auftreten. Dazu gehören das wörtliche Verstehen des Gesagten, feste Verhaltensweisen, das Kopieren von Aussagen oder Tätigkeiten anderer Menschen und der Fokus auf die eigene, innere Welt.

Emotionen, die nicht wahrgenommen werden, äußern sich oft trotzdem auf der körperlichen Ebene. Das kann zu psychosomatischen Beschwerden führen, z.B. Herzrasen, Verdauungsbeschwerden, Schlaflosigkeit usw. Obwohl Alexithyme ihre Gefühle schlecht erkennen, können sie psychische Störungen entwickeln, wie Depressionen. Wenn man etwas nicht sehen kann sind die Auswirkungen fast genau so, wie die Auswirkungen wenn man etwas nicht sehen will.

Alexithyme sind of besonders realistisch. Selbst wenn sie sich mit ihrer inneren Welt beschäftigen, ist ihre innere Welt sehr nahe an der Realität. Ohne viel Bezug zu Gefühlen, wird auch nicht viel fantasiert. Das Leben besteht aus schlafen, essen, waschen, arbeiten. Alexithyme träumen oft gar nicht, oder ihre Träume sind sehr realitätsnah. Sie träumen z.B. dass sie in ein Geschäft gehen, Schuhe kaufen und danach Burger essen gehen.

Der Sextrieb ist manchmal gering ausgeprägt, weil Sex mit Fantasien verbunden ist. Mit Suchtverhalten, z.B. Alkoholmissbrauch, werden manchmal gefühlsähnliche Reize durch künstliche Einwirkung gesucht.

Häufigkeit:

Alexithymie betrifft in unterschiedlich starker Ausprägung ca. 10% aller Menschen. Zeitweise können sogar alle Menschen auf diese Weise ihre Emotionen bearbeiten. Bei diesen 10% ist es jedoch deutlicher.

Therapie:

Es ist eine philosophische und psychotherapeutische Grundsatzfrage, ob man etwas therapieren kann, darf und soll, das die Betroffenen nicht stört und die Umgebung nicht wirklich gefährdet.
Je nach Ursache der Alexithymie gibt es Ansätze den Betroffenen mehr Zugang zu Gefühlen zu vermitteln. Das kann z.B. geschehen, indem bestimmte Ereignisse und die körperlichen Reaktionen darauf bewusst herbei geführt und beobachtet werden.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Gefühle für Anfänger


Auf der Webseite von Kali Munro, einem Psychotherapeuten aus Toronto, habe ich endlich mal eine für mich verständliche Einführung in die Welt der Gefühle und die Bedeutung zugehöriger Begriffe gefunden.

Zunächst unterscheidet er zwischen primären und sekundären Emotionen. Primäre Emotionen sind Betroffenheit (Traurigkeit), Wut (Ärger), Furcht (Angst), Freude und sexuelle Gefühle. Andere Emotionen sind Kombinationen dieser primären Emotionen. Schuld ist z.B. eine Kombination aus Furcht und Ärger. Dabei können die einzelnen primären Emotionen unterschiedlich gewichtet sein. Man kann sich hauptsächlich ängstlich und etwas wütend fühlen, aber auch hauptsächlich wütend und nur leicht ängstlich. Scham ist eine Kombination aus Betroffenheit und Furcht. Eifersucht ist eine Kombination aus Betroffenheit und Ärger.

Jede primäre Emotion erzeugt körperliche Empfindungen. Man fühlt seine Gefühle mit dem Körper. Die körperlichen Empfindungen zu verstehen, hilft also zu verstehen, wie man sich fühlt.

Emotion Körperstelle Mögliche Empfindungen
Betroffenheit Kehle, Brust, Bauch Kloß, einengender Druck, Schmerzen, Leere
Wut Nacken, Kopf, Schultern, Arme, Hände Anspannung (? Ropes of tension), Kloß, Herzklopfen an den Schläfen spüren, verkrampfte Kiefer, drawn in tight, blocky, held back, curled
Furcht Bauchgegend, Kopf, Gesicht, Brust, Kehle Schmetterlinge, Fluttering, Clutching, heavy ball dizziness (dizziness = Schwindel), Kurzatmigkeit, Anspannung um Augen und Mund, trockener Mund
Freude Brustbereich, Augen, Körpervorderseite Spacious (weitläufig ?), expensive (aufwendig), begeistert, clarity (Reinheit?), bubbling (siedend?), inneres Kichern (innere Albernheit)
Sexuelle Gefühle Geschlechtsteile, unterer Bauch, Körpervorderseite Streaming, Sattheit, good achy (achy = schmerzhaft), Wärme


Schon die reine Anzahl an unterschiedlichen Umschreibungen erstaunt mich. Einige Ausdrücke konnte ich nicht sinnvoll übersetzen. Einiges liegt wahrscheinlich an speziellen Redewendungen, die ich nicht kenne. Vielleicht ist das aber auch ein Hinweis auf mein reduziertes Gefühlsleben.

Mittwoch, 16. November 2011

Bilder


In Deutschland werden zur Visualisierung der Alexithymie häufig Menschen aus Eis oder in Eis gepackte Menschen dargestellt. Von außen betrachtet, mögen Betroffene vielleicht so wirken. Aus meiner Sicht sind solche Darstellungen unpassend. Diese Bilder unterstellen, dass Betroffene völlige gefühllos sind.

Treffend sind Bilder aus dem englischsprachigen Raum, in denen Betroffene mit zugeklebtem Mund oder mit einem Reißverschluss vor dem Mund dargestellt werden. So wird deutlich, dass betroffene nicht gefühllose Roboter sind, sondern dass irgend etwas sie daran hindert, über Gefühle zu sprechen.

Ich selbst würde mich in einer Ritterrüstung darstellen. Bei Gefahr wird das Visier herunter geklappt.
In einem komplexeren Bild als mittelalterliche Stadt. Die Stadt ist von einer Stadtmauer geschützt. So lange keine Gefahr besteht, sind die Stadttore geöffnet und der Austausch mit der Umwelt kann über die Tore kontrolliert vorgenommen werden. Bei Gefahr werden die Tore sofort verschlossen.
Mit diesen Bildern wird deutlich, dass mein Verhalten zumindest zum Teil eine Reaktion auf meine Erfahrungen mit anderen Menschen ist.

Liebe


Liebe ist für mich die Sorge, dass der Familie etwas passiert und für die Familie da zu sein. Also die tägliche Kleinarbeit und Zuverlässigkeit. Nicht das große Gerede und Getue.

Irgendwann wollte meine Frau einen regelmäßigen Abschiedskuss, wenn ich zur Arbeit gehe. Für mich gehört so etwas zu den überflüssigen, blöden Routinen. Weil es ihr wichtig war, hielt ich die Wange hin, sie gab ihren Kuss und beide konnten damit leben - glaube ich. Irgendwann war ich sauer auf sie und seitdem halte ich meine Wange nicht mehr hin und der Abschiedskuss entfällt. Mir ist unverständlich, warum solche Rituale als Zeichen der Liebe wichtig sein sollten.

Vaterstolz, der wohl auch eine Form von Liebe ist, oder Ähnliches bei der Geburt meiner Kinder habe ich nicht empfunden. Ich wollte bei den Geburten nicht dabei sein, war aber auf Wunsch meiner Frau kurzfristig bei der ersten Geburt doch dabei. Per Bahn direkt von der Arbeit in den Kreissaal. Tolle Gefühle dabei hatte ich nicht. Genau hingeschaut habe ich während der Geburt nicht, weil ich mir den Anblick nicht gerade als angenehm vorgestellt habe. Dafür bin ich aber auch nicht umgekippt, wie der tolle Mustervater nebenan.

Ich finde das Getue vieler Eltern vor und nach der Geburt extrem übertrieben. In einem Gespräch wurde ich als Rabenvater bezeichnet, weil ich das so offen ausgesprochen hatte und obwohl der Gesprächspartner mein Verhalten als Vater gar nicht kannte. Für ihn war anscheinend das Reden wichtiger als das Handeln, bei mir ist es genau anders herum. Zumal ich den Eindruck habe, dass viele Eltern spätestens einige Zeit nach der Geburt ihre Kinder am liebsten in den Schrank stellen und nur bei Bedarf, in der Regel zum Angeben, wieder heraus holen würden. Ich war vielleicht nüchterner, aber dafür ausdauernd.

Die überwältigenden Gefühle, die so oft beim Thema Liebe angesprochen werden sind mir fremd. Unsterblich verliebt sein? Sehnsucht nach einem anderen? Berauscht sein vor Liebe? Schmetterlinge im Bauch? Weiche Knie bekommen? Kann ich alles nicht nachvollziehen. Ungeduldig auf die Freundin warten. Gerne mit ihr zusammen sein. Solche Formulierungen würde ich wählen. Gefühlsmäßige Verknüpfungen zwischen Körper und Kopf, wie Liebe ist Wärme und Herzrasen, gute Gefühle sind blau etc. habe ich nicht. Zumindest fällt mir nichts ein. Das ist mir so unbekannt, wie Farben hören, Töne sehen etc., was einige Menschen ja können.

Dass es etwas anderes ist, einen Blumenstrauß mitzubringen, als Geld zu geben, weiß ich, kann es aber nicht wirklich nachvollziehen. Ich komme von mir aus nicht auf die Idee Frau oder Kinder einfach so zu umarmen. Wenn ich in bestimmten Situationen daran denke, z.B. weil meine Frau die Kinder umarmt, fallen mir sofort Gründe ein, es besser nicht zu tun. Im Zweifel der Grund, dass es für mich ungewöhnlich ist, dass sie misstrauisch werden könnten usw.

Freude


Freude ist eines der Gefühle, von denen ich glaube, dass ich sie kenne. Allerdings wie bei allen Gefühlen mit der Einschränkung, dass mein Gefühl scheinbar viel "gedämpfter", als solche Gefühle von anderen geschildert werden.

Ich freue mich z.B. über ein Geschenk, wenn es nützlich ist oder wenn ich es schon länger haben wollte. An eine überschwängliche Freude über ein Geschenk kann ich mich nicht erinnern. Schon gar nicht an eine reine Freude, sogar wenn das Geschenk vollkommen unnütz ist, bloß weil ich etwas geschenkt bekommen habe. Über solche Geschenke freue ich mich eigentlich nicht. Ich nehme sie entgegen und bedanke mich höflich. Ich denke dabei aber z.B. daran, wie unsinnig die Geldausgabe war und wie ich mich verhalten muss, damit der Schenker nicht merkt, dass ich mich nicht freue.

Als Jugendlicher habe ich mal gegenüber meinen Eltern vorsichtig erwähnt, dass ein Geschenk wohl eher für meinen Bruder geeignet wäre, als für mich. Seine Interessen traf das Geschenk, meine überhaupt nicht. An den Reaktionen merkte ich, dass meine Bemerkung sehr schlecht ankam. Dabei hatte ich lange überlegt, wie ich das formulieren könnte, ohne zu beleidigen, aber trotzdem einen dezenten Hinweis zu geben.

Ich freue mich, wenn Deutschland ein Fußballspiel gewinnt. Ich finde es albern, deshalb mit dem Auto hupend herum zu fahren, Fremden um den Hals zu fallen etc.

Aktuelle Eindrücke beim Fernsehen


Seit einiger Zeit habe ich den Blog so eingestellt, dass ich eine Mail bekomme, wenn ein Kommentar eingestellt wird. Ich hatte das Thema Alexithymie also am Wochenende im Hinterkopf. Wahrscheinlich wurde mir deshalb beim Ansehen von 2 Sendungen im Fernsehen das etwas seltsame Verhalten anderer Menschen mal wieder deutlich bewusst.
In beiden Sendungen sollten mehr oder weniger prominente Leute unter anderem verschiedene Spielchen machen. Mit immer größer werdender Verwunderung und immer stärkerem inneren Kopfschütteln habe ich gesehen, wie begeistert diese Leute an diesen albernen Spielen teilnahmen.

Es sollten z.B. jeweils zwei zusammen Luftgitarre spielen. Anschließend wurden sie bewertet. Einige wehrten sich zu Anfang, zumindest zum Schein, am Spiel teil zu nehmen. Aber dann machten natürlich doch alle fleißig mit und schienen tollen Spaß dabei zu haben. Die Juroren quälten sich Argumente zusammen, um eine scheinbar sinnvolle Bewertung der jeweiligen Leistungen abzugeben.

Natürlich muss man berücksichtigen, dass Menschen aus der Medienwelt noch mal deutlich extrovertierter sind, als normale Menschen. Vermutlich ist in Fernsehshows auch alles genau abgesprochen, auch sich am Anfang scheinbar zu wehren. Aber selbst wenn ich das berücksichtige, ist es mir vollkommen unerklärlich, wie man sich in dieser Form in der Öffentlichkeit so zum Affen machen kann. Mir wäre es schon peinlich gewesen, überhaupt im gleichen Raum zu sein, wo so etwas stattfindet. Ähnliche Spielchen werden ja auch bei Vereinsfesten, Betriebsfeiern, Familienfesten usw. veranstaltet. Und die meisten Teilnehmer sind dort genau so begeistert.

Für mich ist diese Begeisterung nicht nachvollziehbar. Ich fühle mich bei solchen Spielen total veralbert. Mich nerven schon diese gruppendynamischen Spiele, die bei vielen beruflichen Fortbildungen Einzug gehalten haben. Aus irgendwelchen Spielen werden dort sogar noch willkürlich Schlüsse gezogen, die in das Kurskonzept passen, selbst wenn der Spielverlauf ganz andere Schlüsse nahe legt. Ich mache dann höchstens widerwillig mit und denke die ganze Zeit, was für einen Unfug wir da gerade treiben. Hin und wieder kann ich es mir auch nicht verkneifen, offen zu sagen, was ich denke.

Samstag, 30. Juli 2011

Gefühle


Positive Gefühle definiere ich im Grunde über nicht vorhandene negative Gefühle. Ich fühle mich z.B. schlecht, wenn ich krank bin, mich heftig gestritten habe etc. Wenn ich mich nicht schlecht fühle, fühle ich mich normal. Wenn man auf entsprechende Fragen antwortet, dass man sich normal fühlt, kommt meistens die Nachfrage, was normal heißt. Deshalb sage ich in der Regel, dass ich mich gut fühle, wenn ich mich normal fühle. Aber eigentlich wäre gut fühlen für mich etwas besonderes, das ich aber nicht kenne. Als wäre meine Erwartung an gut fühlen so hoch, dass es nie eintritt. Dieses Prinzip gilt allgemein auch für andere positive Gefühle.
Ich kann mich ärgern und wütend sein. Ich habe aber nicht dauernd Wut im Bauch. Ich kann mitfühlen, zumindest im Sinn von Verständnis haben, traurig sein, Witze verstehen und erzählen, beleidigt sein. Mir ist auch nicht ständig alles egal.

In meiner Begriffswelt habe ich jede Menge Gefühle. Ich bin aber unsicher, ob ich dann wirklich so fühle, wie andere. Ohnmacht fühlen z.B. sagt mir nichts. Ich verstehe den Sinn des Begriffs, weiß aber nicht, ob ich jemals Ohnmacht gefühlt habe. Ich würde Formulierungen verwenden, wie ich konnte eine Situation nicht beeinflussen. Ist das dann Ohnmacht fühlen? Oder zeigt schon diese Umschreibung, dass ich Ohnmacht eben nicht fühlen kann?

Ich kenne Kribbeln im Bauch bei Unbekanntem, z.B. Vorstellungsgesprächen, und Aufregung, z.B. besonders spannendem Sport. Kribbeln im Bauch oder die oft genannten Schmetterlinge im Bauch aus Liebe kenne ich nicht. Ich fühle in peinlichen Situationen Blut in den Kopf steigen. An Träume kann ich mich praktisch nie erinnern.

Freitag, 15. Juli 2011

Gefühle zeigen


Meine Frau, ich und teilweise die Kinder haben vor Jahren an einer regelmäßigen, langjährigen Partnerberatung teilgenommen. Die Beratung hatte übrigens nichts mit Alexithymie zu tun. Dort herrschte Einvernehmen, dass meine Frau in einer sehr gefühlsbetonten Umgebung aufgewachsen ist, in der Gefühle offen gezeigt wurden. Ich in einer eher rationalen Umgebung, in der Gefühle weniger offen gezeigt wurden.

Ich war z.B. völlig überrascht, als meine Frau in der Beratung erwähnte, dass sie unsicher sei, ob mir ihr Essen schmecke, weil ich nie von mir aus sage, dass es mir gut geschmeckt hat. Für mich war das klar, weil ich mich nie über ihr Essen beklage. Nach dem Gespräch war das Thema für mich wieder erledigt. Standardantwort auf die Frage wie hat es geschmeckt, ist „ordentlich“. Mit zunehmendem Alter machten sich unsere Kinder über die Antwort lustig. Als ich dann irgendwann mit „gut“ antwortete, wurde die Sensation gebührend gewürdigt. Mittlerweile rutscht mir schon mal unbedacht einfach ein „gut“ heraus. Gut bedeutet im Grunde nichts anderes, als früher ordentlich. Aber meine Frau freut sich. Glaube ich.

Wenn andere Menschen positive Gefühle wie Freude etc. stark zeigen oder überschwänglich darüber reden, empfinde ich das meistens als stark übertrieben, heuchlerisch etc. Jemand der z.B. seine Liebe beteuert, Blumen mitbringt etc., steht bei mir unter Verdacht, dass er nur eine Show abzieht. Diese Denkweise ist mit ein Grund, warum ich schwer von Liebe sprechen kann. Das könnte ja als Show verstanden werden.

Solche Rückkopplungen sind typisch. Ich tue etwas nicht, weil man es nicht von mir gewohnt ist und Missverständnisse entstehen könnten, oder zumindest besondere Aufmerksamkeit entstehen könnte.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Soziale Kontakte


Öffentliche gemeinschaftliche Gefühlsbekundungen waren mir schon als Kind ein Graus. Bei Karnevalsveranstaltungen habe ich nie schunkeln wollen, sondern ließ mich höchstens widerwillig mitschunkeln. Noch immer meide ich solche Gelegenheiten bzw. weigere mich mitzumachen, z.B. beim Singen an Lagerfeuern. Singen im Schulchor hingegen ging. An Betriebsfeiern, Geburtstagen etc. nehme ich ungern teil.

Bei Verabredungen zum gemeinsamen Lernen, Spielen, Sport, Geburtstagen etc. habe ich als Kind und Jugendlicher immer Ausreden gefunden, warum ich nicht zu anderen bzw. andere nicht zu mir kommen konnten. Genau so trenne ich heute Privates und Berufliches völlig voneinander.

Mir ist es peinlich, wenn sich die jeweiligen getrennten Welten bzw. die Bekannten begegnen würden.

Streitereien haben dazu geführt, dass ich seit vielen Jahren keinen Kontakt mit meinen Eltern habe. Zwischenzeitlich hatte ich per Mail Kontakt zu meiner Schwester, der aber eingeschlafen ist, weil ich ihre letzte Mail nicht beantwortet habe. Mir fiel einfach nichts mehr ein.

Auf fremde Menschen gehe ich ungern zu. Ich fühle mich schon unwohl, wenn ich im Geschäft einen Verkäufer oder eine Verkäuferin ansprechen muss. Am liebsten schicke ich dann meine Frau vor. Mir ist es unangenehm bis peinlich, in einem Restaurant bedient zu werden.

Smalltalk mag ich nicht, geht aber gut, wenn es nötig ist, z.B. beruflich. Privat reagiere ich häufig sarkastisch, wenn zu viel Unsinn geredet wird. Lieber unterhalte ich mich über konkrete Sachthemen, als über Unverbindliches.

Meinen Geburtstag habe ich immer nur mit Frau und Kindern gefeiert. Wobei feiern heißt, ein Stück Kuchen zusammen essen.

Kontaktpflege betreibe ich nicht. Freunde habe ich nicht. Ich vermisse sie aber auch nicht. Freunde würden mich nur beanspruchen. Wahrscheinlich genau dann, wenn es besonders ungünstig ist. Ich mag keine gegenseitigen Verpflichtungen, wie sie sich aus Freundschaften notwendigerweise ergeben. Für die sozialen Kontakte ist meine Frau zuständig.

Ich bevorzuge bekannte Umgebungen. An unbekannten Orten fühle ich mich bis zur Eingewöhnung unwohl. Ich versuche solche Situationen zu vermeiden.

Beruflich muss ich mich über viele der aufgeführten Hindernisse hinweg setzen. Z.B im Hotel wohnen etc. Das geht natürlich. Ich glaube nicht einmal, dass Andere das bemerken. Höchstens wird bemerkt, dass ich solche Situationen vermeide. Allerdings kann ich dann dafür nach außen auch plausible, andere Gründe angeben.

Mir würde die sprichwörtliche Insel mit Computeranschluss, Nahrungsmitteln und Frau reichen. Psychologen würden vermutlich die Reihenfolge bemerken.

Montag, 11. Juli 2011

Eigenbild und Fremdbild


Ich würde mich als eher introvertiert und zurückhaltend bezeichnen. Erst wenn ich mich in einer neuen Situation zurecht gefunden habe, oder die Leute besser kenne, taue ich etwas auf. Allerdings kann ich explodieren, wenn mich etwas richtig ärgert.

Meine Mutter erwähnte mal einem Lehrer gegenüber, dass ich ein dickes Fell habe. Der reagierte darauf verwundert.

Meine Textinterpretationen in der Schule waren oft völlig anders, als die vom Rest der Klasse. Aber immer begründbar und schlüssig.

Meine Schwester bezeichnete mich mal als Klotz, weil ich ein von ihr ausgesuchtes Geschenk für jemand Anderen nicht kommentieren wollte. Ich wusste einfach nicht, wie ich ihr schonend beibringen sollte, dass mir das völlig egal war und ich gar nicht wusste, wie ich das Geschenk finden sollte. Mir hätte es nicht gefallen, aber ich weiß ja, dass so was manchen Leuten gefällt. Vor allem hätte ich ja meine Schwester enttäuscht, wenn ich gesagt hätte, dass es mir nicht gefällt. Aber vortäuschen, dass es mir gefällt, wollte ich auch nicht.

Nach übereinstimmendem Feedback durch andere kann ich sehr gut beobachten und analysieren.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Ein Lehrstück über Kommunikationsprobleme


Da in einem Kommentar das Forum zu Alexithymie auf imedo angesprochen wurde, berichte ich meine Erfahrungen mit diesem Forum. Diese Erfahrungen sind für mich ein typisches Beispiel, wie schwierig Kommunikation sein kann.

Vor ca. 2 Jahren habe ich mich bei dem Forum angemeldet. Weil dort nur Angehörige und aufgrund von Problemen Hilfe suchende Betroffene schrieben, wollte ich die Sichtweise eines Betroffenen beitragen, der keine Hilfe, sondern Gedankenaustausch und Informationen sucht.

Nach einer langen Vorstellung und einigen eher belanglosen Beiträgen, bot sich die Gelegenheit eine Diskussion zu versuchen. In einer Antwort auf einen entsprechenden Beitrag der Forengründerin habe ich vorsichtig angedeutet, dass es für mich nicht in Ordnung ist, pauschal alle Betroffenen als krank zu bezeichnen. Dass es sehr wohl Betroffene gibt, die gesund und sogar zufrieden leben etc. Dass z.B. ich mich gut fühle. Dass auch in den Hinweisen zum Forum richtig stehe, dass Alexithymie keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal sei usw. Der Beitrag war sachlich, ohne Vorwürfe, persönliche Angriffe oder Ähnlichem.

Die Moderatorin antwortete darauf unangemessen barsch und warf mir vor, das Thema zu verharmlosen und die Fakten zu leugnen. Scheinbar fühlte sie sich persönlich angegriffen, obwohl mein Schreiben keinerlei Angriff enthielt. Sie wiederholte, dass Alexithymie eine Krankheit sei, dass alle Betroffenen krank seien und dass Alexithymie in jedem Fall massive negative Folgen habe. Sie begründete dies mit Hypothesen aus der Hirnforschung. Die Formulierung, dass sie persönlich Alexithymie für eine Krankheit hält, wäre ja evtl. noch diskussionsfähig gewesen. So wurde aber ausdrücklich nicht argumentiert. Alexithymie ist eine Krankheit, hieß es.

Die Antwort von mir habe ich noch als Sicherung. Die anderen Beiträge habe ich leider nicht rechtzeitig gesichert.

Grundsätzlich beruhen die neurologisch motivierten Hypothesen - und mehr als Hypothesen sind es nicht - auf den üblichen Messungen von Gehirnaktivitäten, z.B. durch fMRI. Die Messungen dürfen nur sehr vorsichtig interpretiert werden. Es ist unklar, ob wirklich alle relevanten Gehirnaktivitäten erfasst werden, was diese Aktivitäten überhaupt aussagen usw. Du kennst sicher die Diskussionen dazu. Ansonsten ist ein guter Einstieg "Die Illusion von Einsicht" auf faz.net.
Speziell bei Alexithymie ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Teilnehmerzahlen meistens sehr niedrig sind. Und es gibt nur wenige Studien mit Betroffenen, die nicht in einer Behandlung aufgrund zusätzlicher Probleme waren, die die Ergebnisse evtl. beeinflussen haben.
Leider haben alle bisherigen Studien Mängel und es gibt bisher keine überzeugende neurologische Erklärung.
Ich rede nicht schön. Vor allem leugne ich keine Fakten. Aber wenn persönliche Erfahrungen, auch wenn sie bitter sein mögen, pauschalisiert werden, erlaube ich mir die tatsächlichen Fakten den angeblichen Fakten gegenüber zu stellen.
Alexithymie kann wahrscheinlich negative Folgen haben. So sieht es die Medizin und dem stimme ich zu. Aber nicht alle Menschen mit Alexithymie sind massiv negativ betroffen. Nicht bei allen ist die Lebensqualität stark eingeschränkt. Nicht alle haben psychosomatische Erkrankungen. Nicht alle Betroffenen sind durch Begleitsymptome krank. Nicht einmal die jeweiligen Prozentsätze sind bekannt. In Wirklichkeit ist nicht einmal klar, was Ursachen, was Wirkungen und was zufällige Überschneidungen sind.
Derzeit geht man davon aus, dass ca. 20% psychosomatisch Erkrankter auch alexithyme Merkmale zeigen. Darunter ist wohl ein hoher Anteil, die diese Merkmale im Zuge anderer Auffälligkeiten haben. Sie haben also genau genommen nicht Alexithymie, sondern Essstörungen, Asperger etc. Es wird vermutet, dass Alexithymie das Risiko für psychosomatische Erkrankungen erhöht. Auch das ist kein bewiesener Fakt. Ein höheres Risiko bedeutet nicht, dass das Risiko bzw. die psychosomatische Erkrankung auch eintritt.

Der Prozentsatz an Rauchern ist bei Lungenkrebskranken deutlich höher, als bei Gesunden. Das Risiko von Rauchern für Lungenkrebs ist erhöht. Nach deiner Argumentation wären alle Raucher grundsätzlich krank. Es gibt für viele Krankheiten eine genetische Disposition. Menschen mit entsprechenden Genen wären also krank, auch wenn sie die eigentliche Krankheit nicht haben. Letztendlich wäre jeder Mensch krank, weil er krank werden könnte.
Für mich ist ein Raucher erst krank, wenn er, im Beispiel, Lungenkrebs hat. Ein Mensch mit genetischer Disposition ist erst krank, wenn die entsprechende Krankheit ausbricht. Genau so ist ein Mensch mit Alexithymie erst krank, wenn er, als Beispiel, psychosomatisch krank ist. Aber er ist nicht schon krank, weil er alexithyme Merkmale zeigt.

Bei allem Engagement das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen, kann es nicht angehen jeden 10. Menschen als krank oder behindert zu bezeichnen, obwohl Medizin und Forschung von einem Persönlichkeitsmerkmal sprechen. 90%, also etwa 7,2 Millionen Menschen in Deutschland, schreibst du sogar nicht aktivierte Gehirnregionen in Form einer Behinderung zu.


Weil ich den Eindruck hatte, dass die Forengründerin meine Argumentation und mein Hauptanliegen nicht verstand, habe ich im nächsten Beitrag oder einem der nächsten Beiträge geschrieben, dass die ständige Einstufung aller Betroffener als krank "im Grunde eine Diskriminierung" darstellt. Alles andere war im gleichen Stil geschrieben, wie der Beitrag oben.

Diese Formulierung zur Diskriminierung hatte ich lange überdacht. Aus meiner Sicht war diese Formulierung die einzige Möglichkeit, dass der Moderatorin mein Anliegen und die Problematik ihrer Aussagen klar werden könnten, ohne dass sie sich persönlich angegriffen fühlen musste. Die Formulierung macht ganz klar, dass ich ihr persönlich den Vorwurf eben nicht machen wollte. Das Risiko, missverstanden zu werden und damit trotz aller Vorsicht Empörung auszulösen war mir bewusst. Je nach weiterem Verlauf wollte ich weiter diskutieren, diese einzelne Diskussion abbrechen, oder mich ganz aus dem Forum zurückziehen.

Immerhin sollte das Forum ja eine Diskussions- und Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige sein. Es gab also bei mir die leise Hoffnung, dass auf beiden Seiten Interesse bestand, die jeweiligen Standpunkte und die jeweilige Wirkung aufeinander vielleicht besser zu verstehen. Zudem hat die Forengründerin ja angeblich einige Erfahrung im Umgang mit Betroffenen.

Es war vorhersehbar und es kam, wie es kommen musste. Die Empörung der Forengründerin war groß. Im Furor wurde auf kein Argument mehr eingegangen und auch kein Argument gebracht. Ich sollte mich dafür entschuldigen, weil ich der Forengründerin vorwerfen würde, dass sie Betroffene diskriminiere.

Wenn es schon Streit gibt, dann muss ich mich nicht weiter zurück halten. Das weitere Beharren der Forengründerin, trotz mehrfacher dezenter Fingerzeige, ist für mich dann tatsächlich diskriminierend. Also habe ich erwidert, dass ich keinen Grund für eine Entschuldigung meinerseits sehe. Wenn überhaupt, müsse sich die Forengründerin bei den Betroffenen entschuldigen.

Die Forengründerin setzte mir eine Frist, bis zu der ich mich öffentlich im Forum bei ihr entschuldigen müsse. Nach Ablauf dieser Frist wurde ich von imedo aus der Gruppe ausgeschlossen. Wobei imedo offensichtlich keinerlei Informationen über den Grund des Ausschlusses hatte.

Einige meiner Beiträge wurden von der Forengründerin gelöscht. Andere blieben stehen. Gelöscht wurden die Beiträge, in denen ich Aussagen der Moderatorin hinterfragt bzw. mit Quellenangaben widerlegt hatte. Sogar ein Beitrag in dem ich ohne Bezug zu anderen Beiträgen einfach nur das Buch „Emotionally Dumb: An Introduction to Alexithymia“ von Jason Thompson als lesenswert empfohlen hatte.

Meiner Bitte an die Forengründerin, konsequenterweise alle meine Beiträge zu löschen, wurde nicht entsprochen. Die Forenbetreuerin von imedo verwies auf die AGB und behauptete, dass die Löschung von Beiträgen in Foren nicht üblich sei. Meine Hinweise, dass selbstverständlich gute und seriöse Foren Beiträge von Teilnehmern auf deren Wunsch löschen und dass es sogar einen Rechtsanspruch auf Beitragslöschung gibt, wenn durch die Beiträge die Identität des Teilnehmers festgestellt werden kann – was aus meiner Sicht in diesem Fall aufgrund der ausführlichen Vorstellung durchaus möglich ist – blieben ergebnislos.

Das Vorgehen sowohl der Forengründerin ist für mich einfach nur albern, das der Betreuerin von imedo unprofessionell. Ich habe daraufhin beschlossen, diesen Blog zu eröffnen, aber nur auf das Forum bei imedo einzugehen, wenn es in einem Kommentar erwähnt wird.

Meine Schlüsse aus dieser Erfahrung bestätigen weitgehend meine bisher gemachten Erfahrungen:
- Diskussionen über strittige Themen zwischen mir und "emotionalen" Menschen sind sinnlos und führen zwangsläufig zu Streit.
- Vorsichtig vorgetragene Argumente werden von "emotionalen" Menschen nicht verstanden.
- Auch nur etwas deutlicher vorgebrachte Argumente werden von "emotionalen" Menschen immer persönlich genommen und es wird beleidigt reagiert.
- Tatsachen bzw. Fakten werden von "emotionalen" Menschen willkürlich verdreht.

Speziell für das Forum bzw. die dortige Diskussionskultur gilt:
- Das Forum dient nicht dem gleichberechtigten Gedankenaustausch zwischen Betroffenen und nicht Betroffenen.
- Betroffene sind ausschließlich als Hilfe suchende Kranke erwünscht.
- Im Forum werden berufliche und private Interessen der Gründerin zu einer sehr fragwürdigen Ideologie verbunden.
- Andere Sichtweisen, als die der Gründerin sind nicht erwünscht und werden entfernt.
- Fragwürdige Aussagen der Forengründerin sind nicht unbedingt auf Unwissen zurück zu führen, sondern dienen zumindest teilweise bewusst der Verbreitung der eigenen Ideologie.
- Konkrete Aussagen, Antworten und Hilfen sind selten, es überwiegen Allgemeinplätze und Selbstmitleid.

Zwei Beispiele aus der Einstiegsseite des Forums bzw. der zugehörigen Gruppe:

Die Formulierung "Alexithymie (im Volksmund:Gefühlsblindheit) ist keine Erkrankung, sondern vielmehr (noch) ein Persönlichkeitsmerkmal" suggeriert, dass eine Einstufung als Erkrankung kurz bevor steht. Unterschlagen wird, dass Alexithymie seit Jahrzehnten bekannt ist und in Wissenschaft und Medizin die Einstufung als Persönlichkeitsmerkmal unbestritten ist.

10% Betroffene machen das Thema wichtig. Der Prozentsatz an Betroffenen mit zusätzlichen Erkrankungen ist bei insgesamt 8 Millionen Betroffenen aber recht gering. Bei insgesamt 8000000 Betroffenen ist der Anteil natürlich deutlich höher. Obwohl die absolute Zahl gleich ist. 8 Millionen Betroffene kann man nicht glaubhaft zu Kranken erklären. Also bleibt es ganz bewusst bei der Formulierung: "Man geht heute davon aus, das etwa 10% der Einwohner von Deutschland betroffen sind. Dies wären immerhin mehr als 830.000 Personen."

Fazit:
Vielleicht wird einigen Angehörigen oder Betroffenen bei akuten Problemen per Telefonkontakt indirekt über das Forum zumindest kurzfristig geholfen. Gerade psychisch angeschlagene Menschen fühlen sich oft ja schon besser, wenn sich jemand um sie kümmert. Allerdings sehe ich das gerade vor dem beruflichen Hintergrund der Forengründerin sehr kritisch.
Ein guter längerfristiger Diskussionsort für Betroffene ist das Forum nicht. Wie oben geschrieben, habe ich die geschilderten Erfahrungen vor ca. 2 Jahren gemacht. Ob sich mittlerweile etwas im Forum geändert hat, kann ich nicht beurteilen.

Für mich liegt es übrigens nahe, dass Betroffene tatsächlich krank werden und psychosomatische Beschwerden zeigen, wenn mit ihnen täglich in der Form umgegangen wird, wie ich es im Forum erlebt habe und wie ich es auch aus anderen Beiträgen dort heraus lese. Ich frage mich, wer in diesem Fall eigentlich gefühllos und wer gefühlvoll agiert. Vielleicht ist die Unterscheidung zischen gefühllos und gefühlvoll wirklich nur eine Frage des Theaters, dass die jeweilige Person um die eigenen Gefühle macht.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Lust auf Essen


Kürzlich fragte meine Frau mal wieder, was ich denn essen wolle. Worauf ich denn mal so richtig Lust habe.

Von mir aus komme ich fast nie auf die Idee irgendetwas Bestimmtes essen zu wollen. Höchstens mal bei Süßigkeiten, von denen ich weiß, dass die im Haus sind oder normalerweise sind. Bei Hauptmahlzeiten habe ich von mir aus nie so eine Idee. Na ja, vielleicht einmal in zehn Jahren.
Wenn meine Frau fragt, überlege ich, welches Essen ich mag, was wir im Haus haben könnten und was wir am längsten nicht gegessen haben. Oder was als Erstes verderben könnte.

Typisches Beispiel:
Frage: Möchtest du eine Banane oder einen Pudding?
Antwort: Was muss denn früher gegessen werden?

Lust auf Essen hört sich groß und gewaltig an. Ich mag bestimmtes Essen und anderes Essen nicht. Ich esse Manches lieber als Anderes. Ich esse gerne Käse oder Erdbeeren. Von mir aus sogar sehr gerne. Ich mag überhaupt keine Milch oder Milchartiges.

Aber Lust auf ein bestimmtes Essen? Oder nennen Andere mein gern mögen nur einfach Lust? Dann wäre Lust auf Essen enttäuschend profan.